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Lasco, Johannes a
(1499-1560) polnischer Baron, Diplomat, Humanist und reformierter Theologe, Superintendent in Ostfriesland und der Flüchtlingsgemeinden in London und Frankfurt, Superintendent der Reformierten in Kleinpolen. Gelehrter, Glaubensflüchtling, Kirchenorganisator. Biographie: Johannes a Lasco, poln. Jan Laski, wird 1499 als zweiter Sohn einer Familie des polnischen Hochadels auf dem Familiensitz Lask (in der Nähe von Warschau) geboren. Sein Vater ist Mitglied des königlichen Senats, mehr Bedeutung erlangt jedoch für den jungen Johannes der Onkel gleichen Namens, der als Kronkanzler und später als Erzbischof von Gnesen und Primas von Polen zu den bedeutendsten polnischen Politikern und Geistlichen seiner Zeit gehört. Er nimmt sich der Erziehung seiner Neffen an. Während der ältere Bruder Hieronymus die Nachfolge seines Vaters antreten soll, wird a Lasco für eine geistliche Karriere vorgesehen. Er studiert ab 1513 in Italien, anfangs in Rom, später in Bologna und Padua. Noch während seines Studiums erhält er die ersten Pfründen in seiner Heimat. Zurückgekehrt, wird er 1521 zum Priester geweiht und beginnt, mit weiteren geistlichen Einkünften versehen, eine Laufbahn in der Kirche und zugleich als königlicher Sekretär bei Hof. Eine entscheidende Prägung erfährt der junge Adelige durch eine weitere Auslandsreise, die ihn 1524 in Begleitung seiner Brüder in diplomatischer Mission an den französischen Hof nach Blois und Paris führt. Sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückreise macht a Lasco Station in Basel bei Erasmus von Rotterdam. Bei seinem zweiten Besuch quartiert er sich für mehrere Monate bei dem berühmten Humanisten ein, lebt mit ihm zusammen und findet Aufnahme in die Basler Gelehrtenkreise. Mit Erasmus vereinbart er den Kauf von dessen Bibliothek, die aber dem Gelehrten lebenslang zu Verfügung bleiben soll. (Tatsächlich erhält a Lasco nach Erasmus' Tod die Sammlung; einzelne Bände haben sich in Bibliotheken in ganz Europa, darunter auch Emden, erhalten.) Zugleich vermittelt a Lasco Erasmus Kontakte nach Polen. Nach seiner Rückkehr in die Heimat 1526 wird a Lasco für kurze Zeit Mittelpunkt eines humanistischen Kreises in Krakau. Die folgenden zehn Jahre sind geprägt von einer politisch-diplomatischen Beteiligung a Lascos an der Seite seines Bruders Hieronymus am Konflikt um die Thronfolge in Ungarn. Die Brüder ergreifen Partei für den ungarischen Adeligen Janos Zapolyai und damit gegen den Habsburger Ferdinand. Während a Lasco hauptsächlich als diplomatischer Vertreter Zapolyais in Polen agiert und Verhandlungen mit Königen und Fürsten führt, wird sein Bruder auch militärisch aktiv. Vor allem reist Hieronymus mehrfach als Unterhändler nach Istanbul und erreicht die Unterstützung der Türken für Zapolyai, wofür er zum Herrscher über Siebenbürgen gemacht wird. Doch Hieronymus fällt bei Zapolyai in Ungnade und wird inhaftiert. In langen Verhandlungen und mit der Unterstützung namhafter Fürsprecher gelingt es a Lasco schließlich, von Zapolyai die Freilassung seines Bruders zu erreichen. Kaum wieder auf freiem Fuß, wechselt Hieronymus die Seiten und unterstützt nun Ferdinand gegen Zapolyai. Das zehnjährige Unternehmen in Ungarn ruiniert nicht nur die Finanzen seiner Familie, es vereitelt auch die Aussichten auf eine weitere Karriere a Lascos in der polnischen Kirche. Er steigt zwar auf bis zum Archidiakon von Gnesen, doch erhält er nicht das angestrebte Bischofsamt. Beeinflußt vom Reformhumanismus seines Lehrers Erasmus und enttäuscht von der Reformunwilligkeit seiner Kirche, bricht a Lasco zu einer neuen Reise nach Westen auf: Nachdem er schon vorher mit Melanchthon Briefe gewechselt hat, reist a Lasco im Frühjahr 1537 nach Deutschland und trifft sich mit ihm in Leipzig. Anschließend begegnet er in Frankfurt/M. dem niederländischen Mönch und Theologen Albert Hardenberg und begleitet diesen nach Mainz und anschließend nach Löwen, wo Hardenberg Theologie lehrt. Beide schließen sich protestantisch gesinnten Kreisen an. A Lasco heiratet - als erster polnischer Kleriker - und bringt damit auch seine neuen Überzeugungen zum Ausdruck. Hardenberg gerät wegen seiner Lehren ins Visier der Inquisition und muß Löwen verlassen; er kehrt zurück in sein Kloster Aduard bei Groningen. A Lasco läßt sich mit seiner Frau und der bald darauf geborenen Tochter Barbara im nahegelegenen Emden nieder. Nach einer Reise nach Krakau bricht er endgültig mit der polnischen Kirche und tritt zurück in Emden das ihm angetragene Amt des Superintendenten der ostfriesischen Kirchen an. In den knapp sieben Jahren seiner Tätigkeit gelingt es ihm, dem bislang noch ungeordneten ostfriesischen Kirchenwesen neue Strukturen zu geben. Er ruft den Coetus, eine wöchentliche Versammlung aller ostfriesischen Prediger ins Leben, auf der Lehrfragen diskutiert und neue Prediger geprüft werden. Für die Leitung der Gemeinden richtet a Lasco, beginnend in Emden, einen Kirchenrat ein, in dem Prediger und Älteste gemeinsam die Geschicke der Gemeinde bestimmen. Beide Gremien existieren in veränderter Form bis heute. Zur theologischen Abgrenzung der Kirche nach außen bemüht sich a Lasco um die Zurückdrängung der verbliebenen Vertreter der alten Kirche. Mit den in Ostfriesland zahlreichen Täufern sucht er den Dialog, in der Hoffnung, sie für seine Kirche zurückzugewinnen. Für die Erreichung einer inneren theologischen Einheit formuliert a Lasco Glaubenssätze, Lehrformeln und einen Katechismus. Dennoch gelingt der Kompromiß zwischen den lutherischen und reformierten Theologen nicht. Von Ostfriesland aus tritt a Lasco in Kontakt mit zahlreichen protestantischen Theologen. Er beginnt einen intensiven Briefwechsel mit Bullinger und den anderen Zürcher Pastoren, begegnet Bucer bei einer Reise nach Bonn und setzt die Kontakte mit Melanchthon fort. Im Dialog mit ihnen schärft a Lasco seine theologischen Überzeugungen. Zugleich bleibt er in Verbindung mit Polen und intensiviert seine diplomatischen Beziehungen zu Herzog Albrecht von Preußen. Die Tätigkeit a Lascos in Ostfriesland ist der habsburgischen Regentschaft der benachbarten Niederlande ein Dorn im Auge; sie übt beständigen Druck auf die ostfriesische Gräfin Anna aus, a Lasco zu entlassen. Nach der Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg 1548 kann Anna sich diesem Druck nicht länger widersetzen, zumal a Lasco auch die Annahme des Augsburger Interims verweigert. A Lasco muß Ostfriesland 1549 verlassen. Er wendet sich nach London, wo er 1550 von König Edward VI. zum Superintendenten der dortigen Gemeinden protestantischer Flüchtlinge ernannt wird. In der kurzen Zeit seiner Tätigkeit in London entwirft a Lasco wiederum eine Gemeindeordnung und einen Katechismus. Gleichzeitig beteiligt er sich an der Reform der englischen Kirche und bezieht Stellung in theologischen Kontroversen. Der Tod des jugendlichen Königs Edward bringt seine Halbschwester Maria die Katholische auf den Thron. Unter ihrer Herrschaft setzt eine blutige Rekatholisierung des Landes ein. Den Flüchtlingsgemeinden a Lascos werden die Privilegien entzogen, führende Protestanten müssen um ihr Leben fürchten. Im November 1553 entschließt a Lasco sich, mit 175 Mitgliedern seiner Gemeinde über die winterliche Nordsee Richtung Dänemark zu fliehen, wo er auf Aufnahme hofft. Doch in Kopenhagen wird der Gemeinde nicht zugestanden, bei ihrer reformierten Abendmahlstheologie zu bleiben. Nur bei Annahme der lutherischen Lehre sollen sie überhaupt an Land gehen dürfen. Nach weiteren Stationen in den Hafenstädten der Ostseeküste trifft die Flüchtlingsgruppe schließlich in Emden ein, wohin a Lasco inzwischen zurückkehren konnte. Die Aufnahme der - meist aus den Niederlanden stammenden - Glaubensflüchtlinge markiert den Anfang eines breiten Stroms von Exulanten, die in Emden und Ostfriesland Asyl vor den Verfolgungen der Protestanten in den habsburgischen Niederlanden suchen. Sie legt zugleich den Grund für die Rolle Emdens als Moederkerk des niederländischen Protestantismus. Nach Streitigkeiten über eine Revision seines Katechismus und über die Haltung im aufkommenden Konflikt um das Abendmahl verläßt a Lasco 1555 Emden endgültig. Eine kurze Tätigkeit als Superintendent der Flüchtlingsgemeinde in Frankfurt und der Versuch, in einem Gespräch mit dem Lutheraner Johannes Brenz einen Kompromiß in der Abendmahlslehre herbeizuführen, bleiben Episoden auf dem Weg zurück in seine Heimat Polen: Nachdem dort seit 1548 König Zygmunt II. August regiert, hat der Protestantismus an Boden gewonnen. Freunde a Lascos erreichen es, daß er gefahrlos zurückkehren kann. Ab 1557 ist Johannes a Lasco als Superintendent der reformierten Gemeinden in Kleinpolen darum bemüht, die verschiedenen protestantischen Richtungen des Landes - Lutheraner, Reformierte und Böhmische Brüder - zusammenzuschließen und König und Adel des Landes für die Reformation zu gewinnen. Zwar wächst die Zahl der Protestanten in diesen Jahren stark an, doch gelingt es a Lasco nicht, den König für seine Sache zu gewinnen. Den Zusammenschluß der Protestanten, die sich nicht nur der alten Kirche, sondern auch den zahlreichen Antitrinitariern und der jesuitischen Gegenreformation gegenübersahen, zum Konsens von Sendomir im Jahr 1570 hat a Lasco zwar auf den Weg gebracht, aber nicht mehr erlebt. Er stirbt nach langer Krankheit am 8.1.1560. Werk: Johannes a Lasco zeichnet sich weniger als Autor dogmatischer Schriften, sondern als Organisator und kirchlicher Praktiker aus. Seine wichtigsten Werke sind unmittelbar aus seinen Bemühungen um den Aufbau der neuen, nach Gottes Wort errichteten reformatorischen Kirche hervorgegangen. Dabei kommt die größte Bedeutung der Kirchenordnung der Londoner Gemeinden Forma ac ratio zu, die erst nach der Vertreibung 1555 veröffentlicht wurde. Daneben stehen die Katechismen und kleineren Lehrschriften zur Abendmahlsfrage oder die Schriften, die aus den Kontroversen mit den Täufern und anderen entstanden sind. Predigten oder zusammenhängende exegetische Texte haben sich nicht erhalten. Seine Briefe zeigen ihn als hochgelehrten und empfindsamen Schreiber eines kunstvollen Lateins, als Liebhaber der Wissenschaften und als zunehmend kämpferischen, selbstbewußten Theologen. Wirkung: Die Wirkung a Lascos liegt vor allem in seinen kirchenordnenden Tätigkeiten und Schriften. Mehrfach vertrieben, war es ihm nicht möglich, seine Vorstellungen einer wohlgeordneten Kirche an einem Ort dauerhaft umzusetzen. In Ostfriesland blieben seine Einrichtungen für den reformierten Teil des Landes wirksam, auch wenn er seine Haltung im Abendmahlsstreit nicht durchsetzen konnte. In England hatten seine Gemeindeordnungen keinen Bestand, doch seine theologischen Grundüberzeugungen wirkten fort, so daß man a Lasco pointiert als den ersten Puritaner bezeichnet hat. In Polen fanden seine Bemühungen um den theologischen Kompromiß der Protestanten in den Konsensformeln von Sendomir 1570 und Thorn 1645 ihre Höhepunkte, aber die Reformation des ganzen Landes, die er sich erhofft hatte, blieb bekanntlich aus. Den weitestgehenden Einfluß hat a Lasco indirekt ausgeübt: Seine Gemeindeordnungen der Londoner Gemeinden wurden vorbildlich für die Ausgestaltung der Reformation in den reformierten Gemeinden der Niederlande. Hier fanden seine Vorstellungen einer autonomen, durch Prediger und Älteste geleiteten Gemeinde, die sich um das Abendmahl sammelt und sich der Armen annimmt, ihre Umsetzung. Und in seinen Versuchen, Formulierungen für theologische Streitfragen zu finden, die von allen Beteiligten akzeptiert werden konnten, stieß er zwar bei den Hardlinern des 16. Jahrhunderts häufig auf scharfe Ablehnung. Doch sind seine Versuche, das Trennende zurückzustellen und das Gemeinsame hervorzuheben, im ökumenischen Dialog bis heute wertvoll.
Henning Jürgens, Emden
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