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Hugenotten
Bezeichnung für die französischen Protestanten in Frankreich und in der Emigration, sowie für deren Nachfahren a) Zum Namen: Der Name »Hugenotten« ist seit etwa 1560 zunächst zur Beschimpfung der französischen Protestanten benutzt worden. Diese machten sich den Titel jedoch zu eigen, so dass sich die Bezeichnung bald allgemein durchsetzte und auch offiziell neben dem Terminus »Vertreter der Religion prétendue réformée« verwandt wurde. Nach der Emigration der Hugenotten wurde der Name auch für die Nachfahren der Flüchtlinge gebräuchlich. Die Versuche etymologischer Erklärung des Wortes reichen vom Ursprung im Namen des Königs Hugo Capet (987-996) bis zur Deutung als Entstellung des schweizerischen »eyguenot«, wobei letzterer Erklärung die größte Wahrscheinlichkeit zugemessen wird. b) Zur Geschichte: Der Protestantismus verbreitete sich in Frankreich nach anfänglichem Einfluss von Gedanken Martin Luthers und der Straßburger Reformation von 1536 an vor allem in der Aufnahme der Theologie Calvins. Eine Reformation im Sinne der Umgestaltung der kirchlichen Verhältnisse hat es jedoch nie gegeben. Die französischen Protestanten waren stets eine Minderheit im Lande. Besonders nach 1545 nahm die Wirkung des Calvinismus zu, im Bürgertum und unter den Handwerkern, jedoch auch unter Angehörigen des Adels. Die Anhänger des Protestantismus kamen aus allen Schichten der Bevölkerung und lebten ihren Glauben zunächst im Verborgenen. Seit etwa 1555 sammelten sich an vielen Orten Gemeinden nach Genfer Vorbild und traten mehr und mehr an die Öffentlichkeit. Vom 25. bis zum 29. Mai 1559 kamen Vertreter aus mehr als 50 Gemeinden zur ersten reformierten Nationalsynode zusammen, die die auf einem Vorschlag Johannes Calvins basierende Confessio Gallicana verabschiedete. Die Zahl der Hugenotten betrug damals etwa 10 Prozent der Bevölkerung. Die religiösen Auseinandersetzungen waren mit der französischen Politik stets eng verbunden, so etwa im Konflikt zwischen der königlichen Zentralgewalt und dem Adel auf dem Lande. Der bedeutendste Befriedungsversuch war das Religionsgespräch von Poissy (1561) zwischen Katholiken und Protestanten, das jedoch den Konflikt nicht beseitigte. Katharina von Medici erließ im Januar 1562 das Edikt von St. Germain, das den beiden Konfessionen Koexistenz einräumte und den Protestanten große Freiheiten gewährte. Nach der Missachtung dieses Ediktes und der Ermordung von Protestanten durch den Herzog Francois de Guise kämpften die Hugenotten seit 1562 in den blutigen, insgesamt sieben Hugenottenkriegen unter Führung der Bourbonen König Heinrich von Navarra und Prinz Louis von Condé sowie des Admirals Coligny gegen die Katholiken. Dazwischen liegende Friedensschlüsse hatten keinen dauerhaften Bestand. Während der Feierlichkeiten zur Hochzeit Heinrichs von Navarra mit Margarete von Valois wurden in der Nacht vom 23. auf den 24. August 1572 im Blutbad der Bartholomäusnacht eine Vielzahl von Hugenotten ermordet (»Pariser Bluthochzeit«). Dem Massaker, blutigem Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen Hugenotten und Katholiken, sollen allein in Paris zwischen 3000 und 4000, insgesamt etwa 30 000 Menschen zum Opfer gefallen sein. Es entfachte die Konflikte mit neuer Stärke und brachte den endgültigen Bruch der Protestanten mit dem Königtum. Heinrich von Navarra bestieg 1589 nach der Ermordung Heinrichs III. als Heinrich IV. den französischen Thron und wurde von den Katholiken heftig bekämpft. Zur Überwindung der inneren Widerstände trat er daher am 25. Juli 1593 zum Katholizismus über und wurde 1594 in Chartres als erster König aus dem Hause Bourbon gekrönt. »Paris ist eine Messe wert« lautet sein berühmter – aber nicht verbürgter – Ausspruch. Er bestätigte am 13. April 1598 den Hugenotten im Edikt von Nantes in gewissen Grenzen freie Religionsausübung sowie politische und militärische Sonderrechte. Entscheidend geschwächt wurden die Protestanten als ihre Einheit unter Heinrichs Nachfolger Ludwig XIII. (seit 1610 französischer König) verlorenging. Nach 1620 brachen neue Religionskriege aus. Ihre Sonderstellung wurde den Protestanten von Kardinal Richelieu mit dem Edikt von Nimes (dem sog. »Gnadenedikt«) von 1629 genommen, bis schließlich König Ludwig XIV. das Edikt von Nantes 1685 mit dem Edikt von Fontainebleau vollends aufhob. Die Hugenotten waren in der Folge grausamen Verfolgungen ausgesetzt. Unter Ludwig XIV. wurden bei hugenottischen Familien zwangsweise Soldaten, besonders Dragoner, mit Plünderungsrecht einquartiert, um den Übertritt zum Katholizismus zu erzwingen (sog. »Dragonaden«). Das Edikt und die Dragonaden lösten die erste Massenflucht der Hugenotten ins Ausland aus (etwa 200000 »Réfugiés«), u. a. in die Schweiz und die Vereinigten Staaten, nach Großbritannien, Holland und Deutschland. Trotz des Verbotes bestand die protestantische Kirche als »Kirche der Wüste« (»Église du désert«) im Untergrund fort, bis die französische Revolution die Glaubensfreiheit mit sich brachte. Während die Emigration der Hugenotten für Frankreich ein schwerer wirtschaftlicher und demographischer Schaden war, spielten die Hugenotten und ihre Nachfahren in den Ländern, in die sie flüchteten, eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Wirtschaft, für das Militär und die Kunst, in Deutschland besonders in Brandenburg-Preußen. Der Große Kurfürst hatte mit dem 1685 erlassenen Edikt von Potsdam ganzen Gemeinden der Hugenotten die Ansiedlung ermöglicht. – Von berühmten Nachfahren der Hugenotten in Deutschland sei exemplarisch nur Theodor Fontane genannt.
Christoph Herbst, Göttingen
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