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1. Johannes Calvin, der Despot aus Genf?
Über die Person Johannes Calvins ist etwas mehr
bekannt als von der Person Huldreich Zwinglis. Und das ist insofern verständlich,
als er ungleich wirkungsvoller gewesen ist als Zwingli; beinahe alle reformierten
Kirchen auf der ganzen Welt beziehen sich auf ihn zurück; die Reformierten
werden häufig Calvinisten genannt, obwohl sie sich selber so nicht
bezeichnen.
Aber gleichzeitig ist es so, dass vor allem in Deutschland sehr negative
Kennzeichnungen über Calvin immer noch häufig anzutreffen sind:
Er sei der Despot aus Genf, der überaus streng und seiner Richtung
alle anderen zu opfern bereit gewesen sei; er habe Servet hinrichten lassen;
er habe die sogenannte doppelte Prädestinationslehre vertreten, nach
der Gott die einen zum Heil, die anderen zum Unheil erwähle etc.
Stefan Zweig hat 1936 in der Zeit des Nationalsozialismus ein Buch geschrieben:
"Ein Gewissen gegen die Gewalt. Castellio gegen Calvin" und
hat in literarisch geschickter Art den Despoten Hitler gemeint und Calvin
gesagt - auch das hat in den vergangenen Jahrzehnten eher dazu beigetragen,
das Bild Calvins in düsteren Farben zu zeichnen.
Es ist wahr, dass manche Züge Calvins den Menschen in der Moderne
wohl eher fremd bleiben werden. Er ist ein Asket, der sein ganzes Leben
in den Dienst der Reformation stellte und dabei streng vorgehen konnte.
Aber wir werden uns bemühen müssen, ein differenziertes Bild
wahrzunehmen. Denn dass von Calvin ein so verzeichnetes Bild existiert,
liegt auch an den Konfessionsstreitigkeiten bis ins 20. Jahrhundert hinein.
Im 17. Jahrhundert vor allem gab es Querelen und Streitereien zwischen
den Konfessionen, gerade auch zwischen reformierten und lutherischen Christen.
Es wurde diffamiert, unterstellt und nicht mehr fair dargestellt. Von
allen Seiten ist viel Unrecht geschehen, auch von Reformierter. Und in
diesem Zusammenhang entstand vor allem in Deutschland aufgrund vieler
Schriften der insgesamt einflussreicheren Lutheraner ein Bild Calvins,
das noch über Jahrhunderte fortwirkt und auch heute noch - wenn auch
in abgeschwächter Form - in manchen Kirchengeschichts- darstellungen
und populären Darstellungen weiterlebt.
Deswegen ist es gut, sich nicht von den Vorurteilen bestimmen zu lassen,
sondern genauer hinzuschauen und zu fragen, wie Calvin gelebt, gelehrt
und gewirkt hat.
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