9. Hessen-Kassel

Der hessische Landgraf Philipp der Großmütige (1504-1567) gehört zu den Protagonisten der Reformation in Deutschland. Sein Dringen auf Verständigung sorgt für das Marburger Religionsgespräch von 1529 zwischen Luther und Zwingli. Auch in der Kirche in der Grafschaft Hessen-Kassel bemüht er sich um den Ausgleich zwischen den vorhandenen evangelischen Lagern. Man wird die hessische Kirche weder als lutherisch noch als reformiert bezeichnen können.
Nach seinem Tod wird die Herrschaft unter seine Söhne aufgeteilt. Dabei zeigt sich, daß die Position Philipps nur in Hessen-Kassel von Wilhelm IV. weiter verfolgt wird, während die anderen Brüder unter Führung Ludwig IV. von Marburg eine lutherische Konfessionalisierung vornehmen. Nach dem Tode Wilhelms IV. wird sein Sohn Moritz 1592 sein Nachfolger. Er hat enge Kontakte zu den nassauischen Grafen und sorgt 1605 mit den sogenannten "Mauritianischen Verbesserungspunkten" dafür, daß sich sein Land dem reformierten Bekenntnis anschließt. Diese Reformen betreffen im wesentlichen den Gottesdienst: Hinsichtlich der Zwei-Naturen-Lehre Christi soll jegliche Spekulation und jegliche Rechthaberei vermieden werden. Das Bilderverbot darf nicht ausgelassen werden (wie es in der römisch-katholischen und lutherischen Tradition geschieht). Beim Abendmahl sollen keine Oblaten, sondern gewöhnliche Brotstücke gereicht werden.
Gegen diese Verbesserungspunkte gibt es deutlichen Widerstand von lutherischen Theologen. Bis 1607 werden drei Theologieprofessoren in Marburg und 54 Pfarrer entlassen (die jedoch vom lutherischen Landgrafen in Hessen-Darmstadt freundlich aufgenommen werden).
Anders als in den nassauischen Gebieten übernimmt Moritz von Hessen jedoch nicht das presbyterial-synodale Element - er selber regiert die Kirche von oben her. Auch das führt dazu, daß sich in manchen Teilen Kurhessens das reformierte Element nur mühsam organisch etabliert.

Moritz von Hessen

Nach dem Aussterben des Herrscherlinie von Hessen-Marburg gibt es einen Streit zwischen Hessen-Kassel (reformiert) und Hessen- Darmstadt (lutherisch) um den Besitz Oberhessens. Die durch Philipp gegründete und von Ludwig IV. lutherisch gewordene Marburger Universität wird in dieser Zeit durch Moritz zur reformierten Landesuniversität ausgebaut. Die Neugründung der (lutherischen) Gießener Universität durch Hessen-Darmstadt ist die Folge. Ab 1648 gibt es im gesamten Hessen zwei nebeneinander existierende evangelische Kirchen, eine reformierte und eine lutherische.
Die reformierten Gemeinden gehören heute zur "Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck". Ein Teil der Gemeinden ist reformiert geblieben, ein anderer hat sich mit lutherischen Gemeinden zu unierten Gemeinden vereinigt.