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Lektion 7: Die sieben echten Paulusbriefe
Der erste Thessalonicherbrief
Der erste Korintherbrief
Der zweite Korintherbrief
Der Galaterbrief
Der Philipperbrief
Der Philemonbrief
Der Römerbrief
Der
erste Thessalonicherbrief
Thessaloniki, 315 v. Chr. gegründet, war dank
guter Verkehrslage (Hafen) damals die bevölkerungsreichste Stadt
der Region und ist heute die zweitgrößte Stadt Griechenlands.
146 v. Chr. wurde es Zentrum der römischen Provinz Makedonien. Neben
den traditionellen Kulten gab es Kultstätten u.a. für Serapis
und für die Kabiren, aber auch für Gaius Iulius Caesar für
die Dea Roma. Die Anwesenheit von Juden ist erstmals literarisch durch
Apg 17,1, ab dem 3. Jhdt. n. Chr. auch archäologisch bezeugt.
Literatur zur Weiterarbeit: von Brocke, Christoph,
Thessaloniki - Stadt des Kassander und Gemeinde des Paulus. Eine frühe
christliche Gemeinde in ihrer heidnischen Umwelt, WUNT II 125, Tübingen
2001.
Die christliche Gemeinde ist fast rein heidenchristlich
(vgl. 1 Thess 1,9). Soziologisch ist die Gemeinde vor allem aus Leuten
zusammengesetzt, die von der Handarbeit leben (1 Thess 4,11); weder Sklaven
noch Angehörige der Oberschicht werden erwähnt.
Die vorausgesetzte Briefsituation:
Paulus hat die Gemeinde während seiner zweiten Missionsreise
gegründet, es war nach Philippi die zweite Gründung auf europäischem
Boden. Wahrscheinlich mußte er den Gründungsaufenthalt überstürzt
abbrechen und schickt von Athen aus Timotheus noch einmal zurück
(über eine Entfernung von über 500 km!). Timotheus trifft wohl
in Korinth wieder auf Paulus und bringt gute Nachrichten mit. So kann
Paulus in dem wohl 50 n. Chr. geschriebenen Brief die Gemeinde angesichts
der erfahrenen gesellschaftlichen Ausgrenzung (2,14) auf ihrem Weg bestärken
(3,13) und angesichts der Todesthematik trösten (4,13-18).
Grobgliederung
1,1 Präskript
1,2-3,13 Danksagung
4,1-5,22 Paränese
5,23-28 Schluß
Feingliederung
1,1 Präskript
1,2-3,13 Danksagung
1,2-10 Dank für Glaube,
Liebe, Hoffnung in der Gemeinde
Der Begriff der Erwählung (1,4), nur hier von Paulus auf Heidenchristen
bezogen, knüpft an alttestamentliche Aussagen zum Selbstverständnis
Israels und seiner Geschichte an, vgl. u.a. Dtn 4,37; 7,7f.; 10,15; 14,2.
Nach 1,6 sind die Thessalonicher Nachahmer des Apostels (1 Kor 4,16; 11,1;
Phil 3,17 - die Aufforderung steht nur in Briefen an Gemeinden, die von
Paulus gegründet wurden) und Nachahmer Christi (des Irdischen oder
des Präexistenten und Gekreuzigten?) geworden in der Aufnahme des
Wortes unter Leiden. Angesprochen ist die Erfahrung der gesellschaftlichen
Isolation.
Die Bekehrung der Thessalonicher ist Abkehr von den toten Götzen
hin zu dem wahren Gott (1,9b) - alttestamentlich-frühjüdische
Götzenpolemik wirkt ein (vgl. Jes 44,9-20 u.a.). Gegenüber Heiden
konnte urchristliche Missionspredigt an die Predigt der Synagoge anschließen
(Monotheismus und Ethik).
2,1-12 Die Glaubwürdigkeit
der apostolischen Verkündigung
Umstritten ist, ob der Abschnitt Paulus gegen Vorwürfe verteidigen,
von anderen Wanderpredigern, z.B. wandernden Philosophen abgrenzen oder
die Gemeinde zu einem vorbildlichen Verhalten ermahnen soll.
Paulus hat von der Gemeinde, in der er gerade tätig war, kein Geld
angenommen (2,9; vgl. 1 Kor 9,14f.), um in seiner Verkündigungsarbeit
von falschen Verdächtigungen frei zu sein. Von anderen Gemeinden
konnte er sehr wohl finanzielle Unterstützung annehmen (vgl. Phil
4,10-20).
Die Wendung der Berufung würdig wandeln (2,12) bezeichnet
in 1 Thess das leitende Anliegen christlicher Ethik, das ab 1 Thess 4,1
im einzelnen konkretisiert wird.
2,13-16 Dank für die Standhaftigkeit
der Gemeinde in Bedrückungen.
Der Text enthält in V. 14-16 zeitbedingte antijüdische
Polemik, mit Motiven christlicher wie heidnischer Provenienz (allen Menschen
feind: Tacitus, Historien 5,5,1; Mörder Jesu und der Propheten Mt
21,33ff., 23,39ff.; Apg 2,23; 7,52; vgl. bei Paulus auch Gal 4,21-31),
und ist darum gerade im Licht von Röm 9 - 11 nicht geeignet, das
Verhältnis der Kirche zu Israel angemessen zur Sprache zu bringen.
Das Motiv des gewaltsamen Geschicks der Propheten durch das angeredete
Israel hat sich, von einem Einzelfall (Ermordung des Sacharia ben Jojada,
2 Chr 24,20-22) ausgehend, schon in 2 Chr 36,16; Neh 9,26 zu einem Topos
entwickelt. Im NT vgl. noch Mk 12,1-12; Lk 11,49-51. Hermeneutisch gesehen
unzulässig ist es, wenn das Christentum innerjüdische Kritik
aufgreift und sie von einem Standpunkt außerhalb Israels aus gegen
Israel wendet, ohne das Moment des Selbstkritischen zu beachten.
2,17-20 Wunsch des Paulus, die
Gemeinde wiederzusehen, vom Satan gehindert.
Der Abschnitt ist durch Motive des Freundschaftsbriefes geprägt:
Paulus hat Sehnsucht nach der Gemeinde; er weiß sich ihr verbunden.
Inwiefern der Satan Paulus hinderte, wird nicht gesagt, ebensowenig, warum
Paulus Timotheus senden kann, ohne daß diesmal der Satan hindernd
am Werk ist. V. 19f. setzt die Vorstellung voraus, daß der Apostel
selbst im Jüngsten Gericht nicht nur aufgrund seiner eigenen Lebensführung
beurteilt wird, sondern auch aufgrund des Zustandes seiner Gemeinden (vgl.
auch 1 Kor 3,12-15).
3,1-10 Sendung und Rückkehr
des Timotheus mit guten Nachrichten
Der Abschnitt dient in der Forschung i.w. zur Rekonstruktion der
Briefsituation
3,11-13 Abschluß der Danksagung
Was hier und in 1 Thess 5,23 als Wirken Gottes beschrieben ist
(das Wachsen der Gemeinde, daß sie am Tag des Gerichtes bestehe),
kann andernorts als erwünschtes Ergebnis des Arbeitens der Missionare
benannt sein, nämlich in 1 Kor 3,12-15; 2 Kor 11,2. Für Paulus
liegt darin kein Widerspruch: Einerseits ist die Mahnung notwendig, um
den Menschen zum Handeln und ggfs. zur Buße zu veranlassen, andererseits
kann der Mensch für das rechte Handeln nicht im notwendigen Maß
garantieren.
4,1-5,22 Paränese
4,1-8 Mahnung zur Heiligung
Was es heißt, Gott zu gefallen, d.h. seiner Berufung
würdig zu wandeln (zu 4,1 vgl. 2,12!), wird an den Beispielen der
Sexualität und des Verhältnisses zum Besitz thematisiert. Schon
im frühen Judentum können Unzucht und Habgier zusammenfassend
ein typisch heidnisches Leben umschreiben (TestJud 18,2-6;
Sib III 36-45), und es sind seit dem Dekaloggebot Ex 20,17 die Gesetzesforderungen
in dem absoluten Verbot des Begehrens zusammengefaßt (4 Makk 2,6;
Philo, Decal. 173; VitAd 19, ApkAbr 24,8). Dies Verbot konvergiert mit
der griechisch-philosophischen Warnung vor der Begierde als einer der
Hauptaffekte, die zu meiden sind (für die Ausgestaltung der Lehre
von den Affekten in der stoischen Philosophie vgl. Diogenes Laertios 7,110).
So gilt Heidentum nicht nur als widergöttlich, sondern zugleich als
Torheit. Auf dieses Basis kann später das Christentum den Selbstanspruch
formulieren, die neue Elite der Menschheit zu bilden (Diogn 6,1).
4,9-12 Bruderliebe und Aufforderung
zur Arbeit, im Hinblick auf die draußen
Bruderliebe ist konkret u.a. Unterstützung und Gastfreundschaft
für reisende Christen. Warum wird auf das Urteil derer draußen,
d.h. der Nichtchristen, Wert gelegt? Die Haltlosigkeit antichristlicher
Vorwürfe (vgl. die Pressionen) soll erwiesen werden.
4,13-18 Belehrung über
die Auferstehung
Problem: Einige Gemeindeglieder sind verstorben. Was
ist mit ihnen bei der Parusie? Haben sie einen Anchteil durch ihren vorzeitigen
Tod?
Die Antwort des Paulus schließt aus der Auferweckung Christi auf
die Auferweckung der Christen (zu 1 Thess 4,14 vgl. 2 Kor 4,14), fügt
ein (in seiner Ausdehnung umstrittenes) Herrenwort an (die Redeweise Wir
die wir übrigbleiben (4,15) legt nahe, daß es sich um
ein Wort des Erhöhten gehandelt hat. Das Herrenwort mündet in
eine Miniatur-Apokalypse, die das Wie thematisiert.
5,1-11 Belehrung über
den nahen Tag Jesu.
Der Text thematisiert die Zeit im Licht des sich selbst durchsetzenden
Gottes. V. 2 spricht die Gemeinde darauf an, daß sie durch die Predigt
des Apostels um den Tag des Herrn weiß, den Gerichtstag
JHWHs, den Tag des Endgerichts. Das Bild vom Dieb in der Nacht besagt
mehreres: Dieser Tag ist unberechenbar, er ist für denjenigen, der
nicht damit rechnet, verderblich, und man entkommt ihm nicht. Demgegenüber
ist eine indifferente, an das frühere Heidentum erinnernde Lebensgestaltung
nur falsche Sicherheit.
Die Christen sind dank der Rettungstat Gottes nicht mehr im Bereich der
Finsternis, sondern in dem des Lichtes, sollen aber, so die Kohortative
in V. 6.8, dem auch durch ihr Verhalten entsprechen, sie sollen nüchtern
sein, d.h. ihr Heil als ein noch gefährdetes ernstnehmen. V. 9f.
begründen diese Mahnungen mit dem Gnadenhandeln Gottes. Daß
sein Heilsratschluß unserem Handeln vorausgeht, soll die Gemeinde
in der Gewißheit ihrer Erwählung, aber auch in ihrer Bereitschaft
zum Nüchternsein bestärken.
5,12-22 Mahnungen für
das Leben der Gemeinde.
Der Text ist Gegenstück zu 4,1-12. Dort ist das
Leben des einzelnen in seinem Individualbereich, hier das Leben des einzelnen
innerhalb der christlichen Gemeinde thematisiert.
5,23-28 Schluß
5,23f. bilden den Briefkorpusabschluß; 5,23 steht an der Stelle,
wo im profanen Brief die formula valetudinis finalis steht. Das Gebet
der Gemeinden für die Apostel (V. 25) soll die Verbundenheit der
Gemeinde mit den Missionaren realisieren. Ein Gebet für andere Gemeinden
findet sich nicht im Neuen Testament, die Gemeinden bleiben einseitig
von den Aposteln abhängig gedacht.
Der in 1 Thess 5,23 gebotenen trichotomischen Anthropologie (der Mensch
besteht aus Leib, Seele und Geist) steht in Röm 7 eine dichotomische
Anthropologie gegenüber, dergemäß der Mensch den Widerspruch
zwischen dem esoh anthrohpos und seinen Gliedern durchleidet (in dem möglicherweise
sekundären Schluß Röm 7,25b ist das auf die Formel nous
- sark gebracht). Jüdische Freiheit des haggadischen Denkens ist
für Paulus bestimmend:. In 1 Thess 5,23 geht es ihm um die völlige
Heiligung der Christen durch Gott - darum nimmt er dasjenige anthropologische
Modell, das durch die relative (!) quantitative Vielzahl seiner Teile
am ehesten diese völlige Durchdringung auszusagen vermag.
Der heilige Kuß (V. 26) greift auf, daß der Kuß ursprünglich
das Begrüßungssignal unter Verwandten darstellt und keine erotischen
Konnotationen hat. So ist der heilige Kuß die Bestätigung der
Zusammengehörigkeit, seine Verweigerung wäre das Aufkündigen
der Gemeinschaft in Christus.
Last changes:
2002-11-15
Vogler
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