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Lektion 7: Die sieben echten Paulusbriefe
Der erste Thessalonicherbrief
Der erste Korintherbrief
Der zweite Korintherbrief
Der Galaterbrief
Der Philipperbrief
Der Philemonbrief
Der Römerbrief
Der Römerbrief
Der Römerbrief ist der einzige Brief des Paulus
an eine Gemeinde, die nicht er selbst gegründet hat. Über die
Geschichte der christlichen Gemeinde ist nur wenig bekannt. In der ersten
Zeit dominierte das judenchristliche Element (in Rom gab es ca. 10-12
jüdische Synagogen zu dieser Zeit), nach der Vertreibung der Juden
und Judenchristen aus Rom (im Jahre 49 n. Chr., veranlaßt durch
das sog. Claudius-Edikt) war die Gemeinde quantitativ gesehen stärker
heidenchristlich. Doch galt das Claudius-Edikt nur zu dessen Lebzeiten,
unter Nero konnten die vertriebenen Juden und Judenchristen wieder zurückkehren;
Priska und Aquila haben davon Gebrauch gemacht.
Die römischen Christen haben sich auch zur Zeit des Paulus vermutlich
nur in einzelnen Hausgemeinden getroffen; Paulus spricht sie nicht als
ekklhäsia an.
P. Lampe bietet eine ausführliche Sozialgeschichte. In welchen Stadtvierteln
Roms sind zu welcher Zeit Christen nachweisbar? Welchen Aufschluß
ergeben die Namen, die uns in den einzelnen Quellen begegnen?
Literatur zur Weiterarbeit:
P. Lampe, Die stadtrömischen Christen, 2. Aufl. Tübingen 1989.
Warum will Paulus nach Rom, wo er doch als Maxime
hat, das Evangelium nur da zu verkündigen, wo nicht schon andere
gearbeitet haben (Röm 15,19f.)? Paulus sieht sich kurz vor dem Abschluß
seiner Missionspläne in der Osthälfte des römischen Reiches;
nun plant er die Arbeit im Westen (Röm 15,24), und dafür möchte
er die Gemeinde in Rom zur Unterstützung gewinnen. Warum Paulus z.B.
nicht in Alexandria, der zweitgrößten Stadt des römischen
Reiches und der Bildungsmetropole par excellence missionieren will, erfahren
wir nicht.
Textkritik: Der Schluß des Römerbriefes
divergiert in den wichtigsten Handschriften. Kap 1-14 sind im Rahmen des
üblichen unversehrt; Origenes berichtet, daß Markion Röm
15; 16 aus dem Römerbrief getilgt hat, und diese Tilgung wird auch
von einigen lateinischen Handschriften geboten, die nach Röm 14,23
sofort die Doxologie Röm 16,25-27 folgen lassen. Die Handschriften,
die diese Tilgung nicht mitvollziehen, unterscheiden sich für Röm
15 zumeist nach der Stellung der Schlußdoxologie Röm 16,25-27
nach Röm 14,23 und/oder 16,24. Näheres s. K. Aland, Der Schluß
und die ursprüngliche Gestalt des Römerbriefes, in: ders., Neutestamentliche
Entwürfe, TB 63, München 1979, 284-301.
Literarkritik
Nicht selten wird aus der Vielzahl der zu grüßenden Personen
in Rom und aus der Erwähnung von Aquila und Priscilla, die in 1 Kor
16,19 in Ephesus vorausgesetzt werden, die Vermutung abgeleitet, Röm
16 sei gar nicht nach Rom, sondern nach Ephesus adressiert gewesen, sei
es als völlig eigenständiger Brief, sei es als Anhang einer
Kopie des Römerbriefes, die für die Gemeinde zu Ephesus bestimmt
gewesen sei (u.a. Bornkamm, Bultmann, Käsemann). Neuere Veröffentlichungen
sind hierin zurückhaltend: Die Vielzahl der Grüße könnte
bedeuten, daß Paulus jeden nur denkbaren Bezug zur Gemeinde sucht,
um sie für seine in 15,24 angedeuteten Pläne zu gewinnen.
16,25-27 gilt meist als unecht: Unpaulinisch seien das verwendete Vokabular
sowie das Revelationsschema: Der Inhalt des Evangeliums ist bis zu seiner
Verkündigung durch die Apostel von Gott bewusst verborgen gehalten
worden (vgl. Kol 1,26; Eph 3,5.9). Stuhlmacher gibt zu bedenken: Wenn
Paulus den Beginn seines Briefes so kunstvoll durchgestaltet hat, wird
er am Ende nicht so sorglos gewesen sein. Doch ist die sprachliche
Gestaltung ... weniger gelungen, die gedankliche Stimmigkeit z.T. gestört
(K. Haacker, 331): Das Motiv der prophetischen Schriften verträgt
sich nicht recht mit dem Schema früher verschwiegen - jetzt offenbart.
Was ist der Römerbrief? - Frage nach dem Abfassungszweck
Ist der Römerbrief ein theologisches Selbstbekenntnis des Paulus
in Auseinandersetzung mit jüdischer Kritik und libertinistischer
Verkehrung seines Evangeliums (W. G. Kümmel), ein Testament des Paulus,
angesichts dessen, dass er mit Gefahr für Leib und Leben rechnen
muß (vgl. Apg 20,3; Röm 15,31: so G. Bornkamm), eine nach Jerusalem
gerichtete Apologie des Apostels, der den Brief ja unmittelbar vor seiner
Abreise nach Jerusalem schreibt, wo er sich wohl verantworten muß
(J. Jervell), ein Versuch, Einverständnis mit den römischen
Christen zu erzielen, die er als Basis braucht für seine Spanienpläne
braucht, bei denen er aber mit Missverständnissen und Verzerrungen
seiner Botschaft rechnen muß (P. Stuhlmacher), ein Friedensmemorandum
zur Aussöhnung zwischen Juden- und Heidenchristen angesichts der
sich verschärfenden politischen Polarisierung zwischen Jerusalem
und Rom (K. Haacker), eine summa evangelii (E. Lohse)?
Der hier vorgelegte Versuch folgt i.w. den Einsichten von Stuhlmacher
und Jervell, in die hinein Lohses Einsichten integriert werden:
1. Der Apostel will in Spanien missionieren (Röm 15,24.28). Dazu
braucht er die Gemeinde in Rom zur finanziellen Unterstützung und,
gleichsam als bisher äußerster westlicher Vorposten, ggfs.
als Rückzugsbasis oder Treffpunkt mit Mitarbeitern.
2. Vorher will er noch die Kollekte in Jerusalem abliefern, fürchtet
aber, daß ihre Annahme von streng judenchristlichen Kreisen abgelehnt
wird wegen der differenten Thorapraxis der paulinischen heidenchristlichen
Gemeinden.
3. Paulus muß damit rechnen, daß Mißverständnisse
und Verzerrungen seiner Theologie auch in Rom geläufig sind: er mißachte
die Thora als Weisung Gottes; seine Christusverkündigung biete Gelegenheit
zu sittlichem Libertinismus. Solche Einwände stehen hinter den in
Röm 3,31; 6,1; 6,15; 7,7ff. zitierten Fragen. So will Paulus die
römischen Christen aus erster Hand über das informieren, was
er denkt und sagt, und was nicht.
Literatur zur Weiterarbeit
(zum Römerbrief insgesamt): E. Lohse, Das Evangelium für Juden
und Griechen. Erwägungen zur Theologie des Römerbriefes, ZNW
92, 2001, 168-184.
Grobgliederung
1,1-7 Präskript
1,8-17 Proömium
1,18-8,39 Die Heilstat Gottes in Christus als Grund christlicher Existenz
1,18-4,25 Die Rechtfertigung allein aus Glauben
1,18-3,20 Die Schuld der Menschen
3,21-3,31 Gottes Heilstat in Christus
4 Das Beispiel Abrahams als Zeugnis aus der Schrift
5 - 8 Rechtfertigung und christliches Leben
5 Die Rechtfertigung und die Gewißheit der göttlichen Gnade
6 Leben als Christ ist Absage an das Leben für die Sünde
7 Warum die Thora ein Leben für Gott (Röm 6,11)
nicht ermöglicht
8 Leben aus dem Geist und Gewißheit endlicher Rettung.
9 - 11 Gottes Gerechtigkeit und der Weg Israels
12 - 15 Das christliche Leben als Erneuerung eueres Denkens.
16 Grüße, abschließende Mahnung und Briefschluß
Feingliederung
1,1-7 Präskript
Schon V. 1 zeigt apologetische Tendenz: Paulus ist Diener Christi,
nicht sein eigener Herr; er ist berufener, nicht selbst ernannter Apostel;
er ist ausgesondert (vgl. Gal 1,15) zum Evangelium Gottes, zu dessen Verkündigung
unter den Völkern (zu V. 5.6.14 vgl. Jer 1,5; Jes 49,6). V. 2 setzt
die apologetische Tendenz fort: Was Paulus zu verkündigen hat, ist
von Gott schon lange vorgesehen und in den heiligen Schriften vorangekündigt.
Indirekt antwortet Paulus auf jüdische Kritik, die das Christusgeschehen
nicht als Handeln des Gottes Israels anerkennen konnte.
In Röm 1,3f. hat Paulus offensichtlich eine traditionelle Formel
aufgenommen. Denn Christus ist für Paulus der Präexistente (Phil
2,6; 2 Kor 8,9; Gal 4,4), der von Ewigkeit zu Gott gehörende Sohn
(Präexistenzvorstellung und Sohnestitel sind in Gal 4,4 miteinander
verbunden); nach Röm 1,3f. wird er hingegen durch die Auferstehung
zum Sohn Gottes in Kraft eingesetzt.
Zu den Völkern gehören auch die römischen Christen: Sie
sind berufene Heilige, d.h. von Gott herausgerufen in seine Herrschaft
und zum Gehorsam ihm gegenüber bestimmt.
1,8-17 Prömium
Das Proömium hat auch im Römerbrief die übliche kommunikative
Funktion zu erfüllen, die Versicherung der guten Beziehung der Briefpartner,
bei Paulus die Erinnerung an der Basis dieser Beziehung. Freilich muß
Paulus die Beziehung zur römischen Gemeinde erst herstellen.
1,16f. formulieren das Thema des Römerbriefes: Das Evangelium ist
Gottes heilschaffende Macht zur Rettung für jeden, der glaubt. Die
schöpferische Kraft Gottes, in der er die Toten auferweckt und das
Nichtseiende ins Sein ruft (Röm 4,17), wirkt in der Predigt des Apostels,
in ihr kommt Gott selbst zur Wirkung in denen, die glauben (1 Thess 2,13).
Für Paulus gilt als Gottes zentraler eschatologischer Machterweis
Jesu Auferweckung.
1,18-4,25 Die Rechtfertigung allein aus Glauben
1,18-3,20 Die Schuld der Menschen
Der Abschnitt will zeigen, dass alle Menschen unter Gottes Zorn (1,18),
weil unter der Sünde stehen (3,9).
1,18-32 Die Schuld der Heiden
Weil die Heiden Gott nicht erkennen, ihn nicht anerkennen und ihm
nicht die Ehre erweisen und ihm danken wollten, sondern das Geschöpf
an Stelle des Schöpfers verehrten, hat Gott sie an ihre Begierden
dahingegeben (vgl. 1 Thess 4,1-8 und - bei gewissen Differenzen: Sap Sal
13, !4). Darin offenbart sich jetzt bereits Gottes eschatologischer Zorn,
der schließlich im Endgericht zur Verurteilung der Menschen führen
wird.
2,1-16 Der Maßstab des göttlichen Gerichtes:
das Tun des Menschen.
Röm 2,3.6: Paulus bezieht Stellung gegen die Haltung, die Sanders
dem Judentum als Bundesnomismus attestiert (ebenso in 2,25-29). Paulus
lehrt hier das Gericht nach den Werken für Juden und Heiden.
Literatur zur Weiterarbeit:
Sanders, E. P., Paulus und das palästinische Judentum. Ein Vergleich
zweier Religionsstrukturen. Autorisierte Übersetzung aus dem Amerikanischen
von J. Wehnert, StUNT 17, Göttingen 1985. Bundesnomismus nach Sanders:
1) Gott hat Israel erwählt und 2) das Gesetz gegeben. Das Gesetz
beinhaltet zweierlei: 3) Gottes Verheißung, an der Erwählung
festzuhalten, und 4) die Forderung, gehorsam zu sein. 5) Gott belohnt
Gehorsam und bestraft Übertretungen. 6) Das Gesetz sieht Sühnmittel
vor, und die Sühnung führt 7) zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung
des Bundesverhältnisses. 8) All jene, die durch Gehorsam, Sühnung
und Gottes Barmherzigkeit innerhalb des Bundes gehalten werden, gehören
zur Gruppe derer, die gerettet werden. Eine wichtige Interpretation des
ersten und des letzten Punktes besteht darin, daß Erwählung
und letztliche Errettung nicht als menschliches Werk, sondern als Taten
der Barmherzigkeit Gottes verstanden werden (E. P. Sanders, Paulus
und das palästinische Judentum, 400).
2,17-24 Der Selbstanspruch Israels
In Röm 2,18 wird die Basis jüdischer Existenz beschrieben,
in 2,19 der Selbstanspruch Israels, Licht für die Heiden zu sein
(vgl. Jes 42,6f.; 49,6; 60,10; JosAs 6,5). Im folgenden der du andere
lehrst, dich selbst aber nicht lehrst geht es um den bekannten Widerspruch
zwischen Selbstanspruch und eigener Praxis. Doch kann 2,21f. wohl ebensowenig
wie Röm 2,1 pauschal Faktum sein nicht jeder Jude bricht die
Ehe, und erst recht wird nicht jeder Jude heidnische Tempel berauben;
sie wird er als Stätten der kultischen Unreinheit eher meiden. Der
Abschnitt ist keinesfalls eine als real zu verstehende Beschreibung des
gelebten Judentums zu verstehen (das einleitende wenn in V.
17 stellt das folgende als Eventualis hin), doch sind wir gemahnt, unsere
eigene Schriftverwendung immer wieder selbstkritisch zu prüfen.
2,25-29: Wer ist Jude?
Anders als der Bundesnomismus meint, fällt der Übertreter
der Thora in den Status eines Heiden, und (26) wird umgekehrt dem unbeschnittenen
Täter des Gesetzes dies als Beschnittenheit angerechnet, so daß
er wiederum gemäß des Bundesnomismus in einem besonderen Heilsverhältnis
zu Gott steht.
3,1-8 Der Vorzug der Juden
Vorzug der Juden: Ihnen sind die Worte Gottes anvertraut, sie kennen
Gott. Die Heiden kennen ihn nicht. 3,5 benennt eine falsche Konsequenz,
die in 3,6 zurückgewiesen wird, ausführlicher in 6,1-23. 3,8
informiert über Verleumdungen, die man gegenüber Paulus ausgesprochen
hatte.
3,9-18 Die Schuld aller Menschen
Die Schuld aller Menschen vor Gott soll mit dieser Zitatenkette bewiesen
werden.
3,19-20: Schlußfolgerung
Die Heiden (1,18-32) und die Juden (2,17-29) sind schuldig vor Gott,
deshalb kann gesagt werden: Jeder Mund wird gestopft. - 3,20 das Gesetz
deklariert Fehlverhalten als Sünde.
Röm 3,21-31 Gottes Heilstat in Jesus Christus
3,21: nun aber ist heilsgeschichtliche Wende. bezeugt
durch Gesetz und Propheten 3,21b: Das wird in 4,1-25 entfaltet werden.
Dort stehen tatsächlich Thora- und Prophetenzitate.
Das alle aus Röm 3,22 wird i.f. entfaltet: Es gibt hier
keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen: alle haben gesündigt.
Sie sind vor Gott nicht als Gerechte anerkannt, oder auch: sie haben Gott
nicht anerkannt. Der Vers stünde dann parallel zu 1,21.
Das Sühnmal (ilasterion) kann entweder auf dem Hintergrund
von Lev 16 verstanden werden (Die nach dem Tun-Ergehen-Zusammenhang uns
betreffenden Folgen unserer Sündhaftigkeit treffen uns nicht mehr)
oder auf die Vorstellung von 4 Makk 17,20f., das Sterben der Märtyrer
schafft Sühne für Israel.
3,25b.26 Gott erweist seine Gerechtigkeit, indem er in der vorchristlichen
Epoche der Geduld die Sünden hat durchgehen lassen (konkret: den
Götzendienst der Heiden ertragen hat, vgl. Apg 14,16; 17,30), in
der jetzigen Epoche die Sünden bei demjenigen vergibt, der an Christus
glaubt.
Röm 4 Das Beispiel Abrahams als Zeugnis aus
der Schrift
4,1-8 Abraham ist aufgrund seines Glaubens (Gen 15,6)
gerechtfertigt worden.
Zentral ist die Gegenüberstellung Lohn aus den Werken
der Thora - Rechtfertigung des Gottlosen, der keine Werke aufzuweisen
hat. Das Partizip Präsens in 4f. darf m.E. nicht i.S. des wer
immer strebend sich bemüht aufgefaßt werden, sondern
bezeichnet das einfache Faktum, daß man Werke der Thora vorzuweisen
hat oder nicht. Doch inwiefern paßt auf Abraham, daß er der
Vergebung seiner anomiai bedürftig war? Er war vor seiner Bekehrung
zu dem einen Gott Israels (vgl. dazu Jub 11f.) faktisch Sünder.
4,9-12 Der Sinn der Beschneidung
Was bedeutet die Beschneidung, wenn Abraham noch als Unbeschnittener
die Verheißung Gen 15 empfing? Sie ist Besiegelung der Glaubensgerechtigkeit.
Möglicherweise will Paulus hier einem Einwand antworten, demgemäß
die Beschneidung für ihn nichts mehr bedeute.
4,13-17 Abraham als Vater vieler Völker
(Gen 17,5 LXX)
Röm 4,13 ist These und Gegenüberstellung: Abraham ist die
Verheißung nicht durch das Gesetz, sondern durch die Glaubensgerechtigkeit
zuteil geworden.
Röm 4,15: Das Gesetz reizt die Sündenmacht in mir, ihm zu widersprechen,
und beschwört so den Zorn Gottes herauf. Röm 4,16: Abraham ist
nicht nur der Vater der Israeliten, sondern auch der Heiden. Röm
4,17 Rechtfertigung des Gottlosen ist Neuschöpfung von den Toten.
4,18-25 Abrahams Glaube
Als Glaube Abrahams gilt, daß er entgegen dem, was in seiner
äußerlichen Situation sichtbar und zu erwarten war, Gott die
Ehre gegeben, an seiner Verheißung nicht gezweifelt hat. Röm
4,23-25 bezieht das nicht nur auf Abraham, sondern auch auf uns. Doch
läßt Röm 4,25 (vorpaulinisch?) fragen, inwiefern die Auferweckung
unsere Rechtfertigung bewirkt, wenn schon der Kreuzestod um unserer Sünden
willen geschah. Gemeint ist wohl, daß das Leben des Auferstandenen
die künftige Rettung der durch seinen Tod Gerechtfertigten und Versöhnten
verbürgt.
Röm 5 Die Rechtfertigung und die Gewißheit
der göttlichen Gnade
5,1-5 Rechtfertigung und endzeitliche Hoffnung
Die Rechtfertigung als Frieden mit Gott führt zu Geduld und
zu der schon in diesem Leben wirksamen Hoffnung auf die endzeitliche Errettung.
5,6-11 Die Gewißheit der endlichen Errettung
Die Gewißheit der endlichen Rettung wird durch einen Schluß
a minore ad maius begründet: Wenn Christus schon für uns starb,
als wir noch Sünder waren, um wieviel mehr wird uns als Gerechtfertigten
die endzeitliche Errettung zuteil werden.
5,12-21 Die Macht der Gnade und der von Adam her
rührende Schuldzusammenhang
Die Macht der Gnade ist größer selbst als der von Adam
her rührende Schuldzusammenhang. Die Frage, ob unsere persönliche
Entscheidung oder unser Eingebundensein in den von Adam herrührenden
Sündenzusammenhang für unsere Sünde verantwortlich ist,
wird nicht theoretisch reflektiert, weil Kap. 5 insgesamt Kap. 6 vorbereiten
soll: Wollen wir in der Sünde verharren, damit die Gnade noch
größer werde? Das sei ferne! Dieser paränetische
Endzweck von Röm 5 entspricht dem, was Paulus im Römerbrief
gegen Mißverständnisse seiner Theologie explizieren muß,
und verbindet Paulus mit jüdischen, ebenfalls paränetisch motivierten
Adamaussagen.
Röm 6 Leben als Christ ist Absage an das Leben
für die Sünde
6,1-11 Grundlegung der Absage an die Sünde
6,1.2 ist notwendig als Folgerung aus 5,12-21 zu explizieren, um
aus dem Satz von der Übermacht der Gnade keine ethisch unerwünschten
Konsequenzen entstehen zu lassen. Röm 5 findet sein Ziel erst in
Röm 6: Die Gewißheit der endzeitlichen Rettung für die
Glaubenden dient nur dazu, die Unmöglichkeit eines Lebens für
die Sündenmacht darzutun. Röm 6,3f. erinnern an die Taufe: Aus
dem Mitbegrabensein in Jesu Tod folgt auch das Mitauferstehen mit ihm,
das sich leiblich erst in der Zukunft vollziehen wird, sich jetzt aber
in einem neuen Ethos realisieren soll. Der Schluß sollen auch
wir in einem neuen Leben wandeln. ist zwar formal inkonzinn, aber
inhaltlich zentral. Der Sünde abgestorben sein, heißt, ihr
nicht mehr dienen (Röm 6,6. 10f.). Christus gilt als Vorbild des
für Gott Lebens. In Röm 6,10 ist nicht die sühnende Wirkung
des Todes betont, sondern die ethisch-vorbildliche.
6,12-23 Anforderung an uns, der Sündenmacht
nicht mehr Raum zu geben.
Herrschaft der Sünde bewirkt, daß man den Begierden des
Fleisches gehorcht. Sündigt der Christ, so fällt er wieder in
den adamitisch geprägten Menschheit zurück, die vom Tod beherrscht
ist (Röm 5,12), denn das menschliche Leben ist Dienstverhältnis,
entweder der Sünde, die zum Tode führt, oder der Gerechtigkeit,
die das ewige Leben nach sich zieht.
Röm 7 Das Leben für Gott (Röm
6,11) und die Thora
In Röm 7 antwortet Paulus auf einen möglichen oder vielleicht
auch expliziten Einwand jüdischer (oder judenchristlicher) Gesprächspartner,
warum das durchaus anerkannte Ziel des Leben(s) für Gott
(Röm 6,11) nicht allein schon durch die Bindung an die Thora möglich
sein soll.
7,1-6 Der Herrschaftswechsel
Vorausgesetzte oberste Norm zur Beurteilung menschlichen Lebens ist:
Es soll Gott Frucht bringen (Röm 7,4; vgl. leben
für Gott in Röm 6,11). Die These des Paulus ist: Die von
Gott im Kreuzestod Christi neu gesetzte Zugehörigkeit zu Christus
(das Bild der Ehe ist ein Bild der Zugehörigkeit, weniger der persönlich
beide Partner bereichernden Beziehung) soll dies bewirken (V. 4f.). Warum
das Gesetz dazu nicht die Macht hat und man ihm abstirbt, wird erst im
folgenden (bis einschließlich Röm 8,3) geklärt.
7,7-13 Der Zusammenhang von Gesetz, Sünde und
Tod
Röm 7,7-13 versucht, einem Mißverständnis von 7,1-6
zu wehren (V. 7a!). Gegenüber dem Galaterbrief ist die Wertung der
Tora verändert (Röm 7,12): Das Gesetz ist heilig, und
das Gebot ist heilig, gerecht und gut. Doch wie kommt es zu dem
Zusammenhang zwischen Gesetz, Sünde und Tod? Indem mir die Gesetzesforderung
bekannt wird, entsteht in mir die Begierde, ihr zu widersprechen. Paulus
entlehnt einiges für diesen Zusammenhang der Erzählung Gen 3.
7,14-25 Die Situation des Nichtchristen aus der
Sicht des Christen
Mein Ich ist dem Treiben der Sündenmacht in mir hilflos ausgeliefert;
eine bessere Erkenntnis - ich habe Freude an der Thora - führt nicht
zum Ziel, weil sie immer wieder von der in mir wirkenden Sündenmacht
kompromittiert wird. So wirkt die Sünde meinen Tod.
Röm 8: Leben aus dem Geist und Gewißheit
endlicher Rettung.
8,1-11 Der Heilige Geist und die christliche Existenz
Christliche Existenz ist Existenz nach dem Geist, nicht nach dem
Fleisch. Ermöglicht ist sie dadurch, daß Christus uns dem Zusammenhang
von Sünde und Tod entrissen hat. - Warum haben die Werke der Thora
nicht gerechtfertigt? In Röm 8,3 sind die faktische und die heilsgeschichtliche
Antwort auf die Frage im Sinne einer Begründung kombiniert: Weil
der Mensch faktisch das Gesetz nicht tut, darum ordnet Gott die Verhältnisse
neu.
8,12-17 Gottes Geist verbürgt uns die Sohnschaft
Vgl. Gal 4,1-7.
8,18-30 Gewißheit endlicher Rettung
Die in V. 18 genannten Leiden sind die Leiden des Christen als des
leidenden Gerechten (vgl. SapSal 2 - 5) im gegenwärtigen, seinem
Ende entgegengehenden Äon. Auch die Schöpfung seufzt und wartet
auf die Offenbarung der Söhne Gottes. Die Universalität der
rettenden Macht Gottes wird betont. Zu den Wehen der Schöpfung
V. 22 vgl. Jes 24,1-6; Mi 4,9f.; äthHen 62,4; Mk 13,8f.; zu dem Motiv
des Beistandes des Geistes vgl. Dan 12,1; äthHen 40,6f.;
8,31-39 Die Gewißheit der Errettung im jüngsten
Gericht
Zur Gerichtsszene insgesamt vgl. Jes 50,8-9. V. 35 nimmt die Gefährdungen
der Christen in Betracht, die aus ihrem expliziten und impliziten Christuszeugnis
gegenüber den Nichtchristen erwachsen. Zum Tod als Feind des Menschen
(V. 38f.) vgl. 1Kor 15,26; zum Leben als Ort der Trennung des Menschen
von Gott vgl. 2 Kor 5,8f.; zu den widergöttlichen Mächten vgl.
die Erzählung von den gefallenen Engeln Gen 6,1-4 und deren Nachwirkung
in äthHen 6 - 9 und 69,2-25. Höhe und Tiefe bezieht
sich auf den Stand der Gestirne, die den Lebenslauf des Menschen angeblich
feindlich beeinflussen können.
Röm 9-11 Gottes Gerechtigkeit und der Weg Israels
Themenstellung der drei Kapitel ist nicht die Prädestinationslehre
im allgemeinen, sondern die Gerechtigkeit Gottes und Israel im speziellen.
Ausgangspunkt ist die Frage, warum Israel sich mehrheitlich der Verkündigung
Jesu als des Messias verweigert - ein Argument, das man Paulus ja auch
entgegenhalten könnte als Widerlegung seiner Predigt und seiner Person:
Seine Verkündigung tauge nichts und ziehe seine Integrität als
Glied des Volkes Israel in Frage!
9,1-5 Der Schmerz des Paulus
Paulus beteuert seine Betroffenheit darüber, daß viele
aus Israel bisher nicht zum Glauben an Jesus Christus kamen, und hält
die besonderen Auszeichnungen Israels fest: Es hat die Thora erhalten;
ihm sind die Väter gegeben, als Ur- und Vorbilder des Glaubens, und
aus ihm stammt Christus nach dem Fleisch.
9,6-29 Die Freiheit der göttlichen Gnadenwahl
Gottes Wort ist nicht dahingefallen, doch macht die Freiheit der
göttlichen Gnadenwahl an der Grenze Israels nicht Halt, sondern sieht
die Berufung von Heiden vor - eine auch innerjüdisch mögliche
Position (vgl. Jes 2,1-4; Jes 56,7; Sach 8,20-23).
9,30-10,21 Die momentane Selbstverweigerung der
nicht an Jesus glaubenden Israeliten
Traditionelle Exegese las den Abschnitt als Aussage über die
Verantwortlichkeit des Menschen, der sich Gott widersetzt, oder im speziellen
als die Verantwortlichkeit Israels, das sich seinem Herrn gegenüber
verweigert. Man wird beachten müssen, daß auch dieser Abschnitt
Durchgang ist, der erst in Kap. 11 sein Ziel findet: Die partielle Selbstverweigerung
Israels ist nicht endgültig, sondern nur vorläufig, und sie
schafft Gelegenheit, daß die Heiden herzukommen.
11 Gottes Treue gegenüber Israel
Gott hat sich einen Rest behalten. Sichtbares Zeichen seiner Treue
sind die Judenchristen, ist Paulus selbst. Der Verweis auf die Klage des
Elia und die Antwort Gottes zeigt aber noch etwas anderes: Sein Handeln
hat schon früher das überschritten, was dem Menschen im Moment
sichtbar war. Insofern wird zu Beginn des Kapitels 11 bereits der Schluß
präludiert, nämlich das Geheimnis und die Rettung ganz Israels
zum Heil, von Gott gewirkt. Die Heidenchristen werden vor Hochmut gewarnt.
Zusammenfassung: Gottes Gerechtigkeit wirkt
sich gegenüber seinem Volk Israel so aus, daß es trotz vorübergehender
teilweiser Verstockung und trotz vorübergehenden Ungehorsams am Ende
der Tage in seiner Vollzahl gerettet werden wird. Die Judenchristen (Paulus
selbst, Röm 11,1) sind dafür Vergewisserung. Paulus redet hier
anders über Israel als in 1 Thess 2,14-16; Gal 4,21-31!
Röm 12 - 15 Das christliche Leben als Erneuerung
eueres Denkens.
12,1f. Der Horizont christlichen Handelns
Röm 12,1f. gilt als zentrale Begründung paulinischer Ethik
in der Basis des göttlichen Heilshandelns und in dem Ziel, dem neuen,
in Christus angesprochenen Äon zu entsprechen. Das neue Leben reicht
bis ins Leibliche hinein und ist vernünftiger Gottesdienst, indem
es nicht die tote Materie oder gar wie in Ägypten Tiere verehrt,
sondern den Menschen als Ganzen unter den heiligen Willen des ewigen Gottes
stellt.
12,3-8 Die Einheit der Gemeinde nach dem Maß
des Glaubens
.Der Abschnitt konkretisiert die Warnung vor der Gleichstellung
mit diesem Äon (V. 2).
12,9-21 Allgemeine christliche Mahnungen
Diese Paränese speist sich inhaltlich aus dem Alten Testament
wie aus jüdischer Weisheitsliteratur. Inhaltlich kreist sie um die
Pole der Nächsten- und der Feindesliebe. Manches daran erinnert an
synoptische Tradition, wird aber nicht als Jesuswort zitiert.
13,1-7 Christliche Gemeinde und die römische
Staatsmacht
Röm 13,1-7 wurde oft als die maßgebliche biblische Äußerung
zum Thema Christen und weltliche Obrigkeit verstanden und auch mißverstanden.
Das weitgehende Versagen weiter Kreise gerade des Protestantismus, vor
allem des Luthertums gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie
ist u.a. auf eine einseitige Überschätzung unserer Stelle zurückzuführen.
Paulus argumentiert im Sinne frühjüdischer Tradition, die ebenfalls
das Verhältnis Israels zur heidnischen römischen Staatsmacht
zu ordnen hatte. Israel war im römischen Imperium eine offiziell
geduldete, aber inoffiziell und teilweise auch offiziell wiederum feindselig
beäugte Größe. Die prinzipielle Duldung schloß antijüdische
Pogrome im einzelnen nicht aus (z.B. 38 n. Chr. in Alexandria). Umgekehrt
gab es in Israel gegenüber dem römischen Imperium von der Kollaboration
bis zum theologisch begründeten gewaltsamen Widerstand alles an Einstellungen,
und verantwortliche Politik stand ständig in der Spannung zwischen
den vom Ersten Gebot her gesetzten Grenzen und der Notwendigkeit, für
halbwegs befriedete Verhältnisse für die Juden unter der Herrschaft
der Römer zu sorgen und zu diesem Zweck der römischen Staatsmacht
gegenüber Loyalität in Wort und Tat erweisen. Deshalb opfert
man nicht dem Genius des lebenden Kaisers oder der per Senatsbeschluß
in der Kreis der Götter aufgenommenen verstorbenen Kaiser und auch
nicht der Göttin Roma, sondern für den Kaiser zu dem Gott Israels.
Entsprechend argumentiert Paulus: Die Christen sollen nicht von sich aus
Anlaß geben, daß man an ihrer prinzipiellen Loyalität
zweifeln könnte, und sollen es vermeiden, dadurch den Argwohn der
Staatsmacht auf sich zu ziehen.
13,8-10 Die Liebe als die Erfüllung des Gesetzes
Liebe ist des Gesetzes Erfüllung, widerspricht der Thora keineswegs.
Der Dekalog konnte gelegentlich schon im frühen Judentum als Summarium
zur gesamten nachfolgenden Halacha aufgefaßt werden (Philo, de decalogo).
Daß die Liebe dem Nächsten nichts Böses tut, hat seine
Parallelen bei Cicero, de officiis 3,5,23: Es ist nicht nur durch
die Natur, das ungeschriebene Gesetz, sondern auch durch die geschriebenen
Gesetze festgelegt, daß man nicht zum eigenen Vorteil einen anderen
schädigen darf.
13,11-14: Leben im Horizont des nahenden Heils.
Der Abschnitt zeigt nicht nur, daß Paulus die Naherwartung
noch keineswegs verabschiedet hat, sondern ist die Inklusion zu 12,2:
Stellt euch nicht diesem Äon gleich.
14,1-15,13 Die Starken und die Schwachen
in Rom
Was die Starken und die Schwachen sind, ist
religionsgeschichtlich nicht zweifelsfrei geklärt. Verzicht auf Fleisch
und Wein war im Judentum nicht generell gefordert, konnte aber aus religiösen
Gründen von manchen praktiziert worden sein. Man wollte jede auch
versehentliche Befleckung mit Lebensmitteln vermeiden, die auch im Zusammenhang
kultischer heidnischer Handlungen verwendbar waren. Doch auch Heidenchristen
konnten in solchem Verhalten den klarsten Beweis einer völligen
Abwendung vom Heidentum gesehen haben (K. Haacker, Der Brief an
die Römer, ThHK 6, Leipzig 1999, 278).
Sichtbar ist, daß Paulus hier eine Pluralität von Verhaltensweisen
gelten lassen kann. In anderen Konfliktfällen war dies erheblich
anders.
14,1-12: Man soll sich nicht gegenseitig richten!
Den Starken wie den Schwachen hat Gott angenommen; er steht oder
fällt seinem Herrn. Ist der eigene Heilsstand in dieser Weise begründet,
und hat man zuerst daran zu denken, daß man selbst dem göttlichen
Gericht untersteht (V. 10-12), verbietet sich das Urteilen über den
Bruder.
Unser keiner lebt sich selber. ... dem Herrn. Der Zusammenhang
von Bekenntnis und Ethos wird betont und zudem christologisch begründet
(vgl. 2 Kor 5,15).
14,13-23 Mahnung dazu, den anderen in seinem Glauben
nicht zu gefährden.
Der Text wiederholt die Grundgedanken von 1 Kor 8 mit Ergänzungen
(14,17): Biblische Speisegebote sind verhandelbar und für den Christen
weder positiv noch negativ bindend.
In V. 23 folgt Paulus einer Tradition philosophischer Ethik; vgl. Cicero,
de officiis 1 (9) 30: Darum machen diejenigen den richtigen Vorschlag,
die verbieten etwas zu tun, über dessen Rechtlichkeit oder Unrechtlichkeit
man unentschieden ist ... Unentschiedenheit signalisiert das Sinnen auf
Unrecht; ähnlich Seneca, Ep. Mor. 10,82,18: Auf sittliche
Weise geschieht nur das, bei dem die ganze Seele zustimmt und mitmacht,
dem man mit keinem Teil des Selbst widerstrebt.
15,1-13 Mahnung dazu, das Heil des anderen im Auge
zu haben.
15,2 Auferbauung heißt nicht sich selbst, sondern dem anderen
zu gefallen leben, d.h. so zu leben, daß er nicht aus seiner Berufung
zum Christsein herausfallen muß. Die christologische Begründung
in Röm 15,3 zeigt ähnlich wie 2 Kor 8,9, daß Paulus der
Inkarnation und dem Kreuzestod keineswegs nur soteriologische Momente
entnahm; Christi Menschwerdung und sein Kreuz sind für Paulus Ur-
und Vorbild auch des eigenen christlichen Handelns.
Röm 15,7 formuliert das Verhältnis Indikativ - Imperativ. Gottes
vergangenes, d.h. mir vorausliegendes Handeln ist Grundlage meines gegenwärtigen
Heils. Röm 15,8-13 weitet ins Grundsätzliche aus. Alle, aber
auch alle verdanken ihren christlichen Heilsstand der Barmherzigkeit Gottes.
Es hat niemand Anlaß zur Überheblichkeit. Dieses alle
wird nochmals nach Juden und Nichtjuden entfaltet (zu dieser Reihenfolge
vgl. Röm 1,16!).
Röm 15,8 betont die Treue Gottes und die Gültigkeit der Väterverheißungen
anhand des Christusgeschehen. Dieses gilt Israel, ist nicht nur auf die
Funktion zu beschränken, den Einschluß der Heiden zu ermöglichen.
Der irdische Jesus hat sein Ziel in der Bereitung ganz Israels hin auf
die heranbrechende Gottesherrschaft gesehen; ob er positiv den Einschluß
der Heiden im Auge hatte, ist historisch gesehen offen und m.E. fraglich.
Die Heiden sollen Gott loben um seines Erbarmens willen. Indirekt stellt
die vierfache Begründung aus der Schrift zusätzlich eine Apologie
des Apostels dar, und zwar in doppelter Weise: 1. So spricht der Apostel
die Heidenchristen auf ihren Status als Heidenchristen an. Heidenchristen
haben mit seinem Volk, der erwählten Gottesvolk Israel Anteil am
Heil. 2. Zwei Zitate stammen aus den Psalmen, eines aus der Thora, eines
aus den Propheten: Die Heilige Schrift bezeugt in allen ihren Teilen Gottes
Erbarmen für die Heiden, weswegen sie Gott loben sollen. Einrede
gegen die paulinische Heidenmission sind daher im Prinzip verfehlt. Wiederum
ist zu beachten: Die noch im höheren Grade strittigen paulinischen
Bedingungen der Hereinnahme von Heiden (Verzicht auf Beschneidung und
Speisegebote) werden von Paulus nicht thematisiert. Doch werden es gerade
diejenigen Fragen sein, die Paulus zu Recht befürchten lassen, daß
die von ihm gesammelte Kollekte nun doch nicht angenommen würde (vgl.
dazu Röm 15,30-33).
15,14-33 Der äußere Anlaß des Schreibens
Paulus ist Diener Christi an den Heiden (15,16f.) nach dem Vorbild
des Gottesknechtes (bis in die Bestimmung der Eigenart und Reichweite
seines Auftrages hinein, 15,18-21). Er plant eine Missionstätigkeit
in Spanien, für deren Durchführung er auf die geistliche und
wohl auch personelle und materielle Unterstützung der römischen
Gemeinde hofft (15,24.28), will aber zuvor in Jerusalem die Kollekte abgeben,
um deren Annahme er freilich fürchten muß (15,30-33).
16,1f. Empfehlung der Phöbe
Röm 16,1f. ist ein Beweis für die konstitutive Rolle von
Frauen in der Anfangszeit der Kirche: Phöbe war finanzielle
Wohltäterin, Fürsorgerin und Vertrauensperson (P. Stuhlmacher,
Der Brief an die Römer, NTD 6, Göttingen 1989, 217) der Gemeinde
in Kenchreae, dem östlichen Hafen von Korinth am Saronischen Golf;
der Titel Patronin sollte ihr Respekt und Hilfsbereitschaft
in Rom verschaffen.
16,3-16 Grüße
Genannt werden eine Reihe einzelner Personen, mehrfach jedoch auch
Christen in einer Hausgemeinde (V. 5) bzw. sun autois (V. 14f.). Die Hausgemeinde
ist zu einer Zeit, da man noch keine öffentlichen Kultgebäude
besaß, die nächstliegende Organisationsform, ähnlich wie
es jüdische Haus-Synagogen und Kulträume für heidnische
Kultgemeinden innerhalb von Privathäusern gab. An der Grußliste
ist des weiteren bemerkenswert:
1. die große Zahl von Frauen, die offensichtlich für die Gemeinde
von Bedeutung waren (auch )Iounia V. 7 ist als Frauenname zu lesen),
2. die Mobilität der damaligen Bevölkerung auch in den unteren
Schichten: Nachdem durch den Tod des Kaiser Claudius i. J. 54 n. Chr.
auch das sog. Claudiusedikt hinfällig geworden war, finden sich bald
auch (wieder) Judenchristen in Rom.
3. die Herkunft der Gemeinde aus unterschiedlichen sozialen Schichten,
wie aus den schichtenspezifischen Namen deutlich wird. Die Namen Persis,
Hermes und Nereus trugen zumeist Sklavinnen / Sklaven oder Freigelassene,
aber auch die Namen Ampliatus, Herodion, Tryphaena, Tryphosa und Julia
können darauf verweisen.
16,17-20 Warnung vor Spaltungen und vor Gegnern
Vielleicht hat Paulus Gegner im Blick, die in Galatien und andernorts
auftraten in der Meinung, seine Verkündigung nachbessern zu sollen.
16,21-23 Grüße der Mitabsender
Tertius hat vermutlich den Brief nach dem Diktat des Paulus geschrieben;
Gaius hat nicht nur Paulus während seines Aufenthaltes in Korinth
beherbergt, sondern auch der korinthische Gemeinde selbst in seinem Haus
einen Versammlungsraum zur Verfügung gestellt.
[16,24.25-27 Schlußgruß. Doxologie]
Die verwickelten textkritischen Probleme können nicht im einzelnen
diskutiert werden. 16,24 fehlt in vielen älteren Handschriften; 16,25-27
gilt wegen seines eigentümlichen Vokabulars und des sog. Revelationsschemas
(das in den prophetisch verstandenen Schriften angekündigte Geheimnis
[hier: das Geheimnis der Erscheinung Jesu Christi auf Erden] war lange
verborgen, ist jetzt aber offenbar geworden) weithin als unpaulinisch.
Dieses Schema begegnet dem Vorwurf, dass die christliche Botschaft eine
Neuerung und schon damit verdächtig sei (vgl. Sueton, Nero 16,2:
Christiani, genus hominum superstitionis nouae ac maleficae).
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