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Lektion 10: Katholische
Briefe
Katholische Briefe
Der erste Petrusbrief
Der Judasbrief
Der zweite Petrusbrief
Der Jakobusbrief
Der erste Johannesbrief
Der zweite Johannesbrief
Der dritte Johannesbrief
Der zweite Petrusbrief
Verfasserfrage
2 Pt gibt sich als Testament des Petrus (1.13-15),
der in altertümlicher Weise als Symeon Petrus vorgestellt wird. Auch
der Hinweis auf die Verklärung Christi (1,18f.) sowie der Rückgriff
auf 1 Pt und das Paulusbild soll das nahelegen. Doch schon Calvin (CR
83,441) erwog angesichts der stilistischen Differenzen zum ersten Petrusbrief
die These, einer der unmittelbaren Schüler habe den Brief im Auftrag
und unter Billigung des Petrus verfasst.
Aber es stehen der Zuweisung an den Jesusjünger Petrus noch weitere
Bedenken entgegen:
1. die weitgehende Übernahme des Judasbriefes, die dessen Argumentationsbeispiele
in die biblisch richtige Reihenfolge bringt,
2. die Durchbrechung der Fiktion in 3,4, der Hinweis auf die entschlafenen
Väter der vorangegangenen christlichen Generationen,
3. die Inspirationslehre 1,20f. und die erst spät einsetzende Rezeption
des 2 Pt in der Alten Kirche (Euseb, HE 6,25,8; 3,25,3).
Der Verfasser sieht Petrus und Paulus als Garanten apostolischer Tradition,
die nur von Unverständigen zu ihrem eigenen Schaden verkehrt wird.
Eine Sammlung von Paulusbriefen scheint ihm schon vorzuliegen (2 Pt 3,15f.).
Zeit: um 130 n. Chr.
Verhältnis zum Judasbrief
Hatte Martin Luther den Judasbrief als ein Exzerpt
aus dem zweiten Petrusbrief bezeichnet, so wird heute zumeist umgekehrt
entschieden: der zweite Petrusbrief hat den Judasbrief zur Voraussetzung.
Die entscheidenden Argumente sind: Beispiele werden in die biblisch richtige
Reihenfolge gebracht, die Zitate aus der Assumptio Mosis und aus dem Henochbuch
getilgt. Aber auch an Details ist solche Verbesserung sichtbar. So korrigiert
etwa die Wendung „dies vor allem“ in 2 Pt 3,3 gegenüber
Jud 17f. das Missverständnis, als sei die folgende Ankündigung
der einzige Inhalt der Verkündigung der Apostel gewesen.
Doch warum hat der zweite Petrusbrief den Judasbrief überhaupt aufgenommen?
Die enge Anlehnung weist auf Kongruenz der Anschauungen hinsichtlich der
Theologie, des Glaubensverständnisses, des Gedankens, daß die
Endzeit gekennzeichnet ist durch das Auftreten von Häretikern. Dass
der Verfasser des zweiten Petrusbriefes allerdings überhaupt literarisch
aktiv wird, bedeutet wohl, daß er den Judasbrief „begrenzt
ersetzen“ will und ihn dadurch „faktisch überflüssig“
macht. Jedenfalls beansprucht er, „die angemessene Deutung des Jud
für seine Zeit zu sein“ (H. Paulsen, Der Zweite Petrusbrief
und der Judasbrief übersetzt und erklärt, KEK 12/2, Göttingen
1992, 99).
Situation
Der Verfasser sieht die Adressaten durch das Wirken
von „Falschpropheten und Falschlehrern“ (2,1) und „Spöttern“
(3,3) bedroht. In der neueren Forschung wird mehrheitlich die Identität
der in Kap. 2 und Kap. 3 angegriffenen Gegner vertreten (vgl. die Vorwürfe
in 2,10.18 einerseits, 3,3 andererseits). Erkennbar ist ihr „Versprechen
von Freiheit“ (2,19) sowie ihr Hinweis auf den Parusieverzug (3,4);
unklar ist, ob ihr Verweis auf Paulus auf die libertinistisch verstandene
Aussage 2 Kor 3,17 schließen läßt. Sah die neutestamentliche
Forschung vor allem früher hierin den Niederschlag einer Frühform
der Gnosis (Schrage), so wird heute ein dem Epikureismus vergleichbarer
aufgeklärter Skeptizismus (Paulsen, 97.157) als Hintergrund vermutet
oder auch ein Enthusiasmus ohne gnostischen Hintergrund (Vögtle,
268-272).
Rezeption
Für die Rezeption des zweiten Petrusbriefes im
zweiten nachchristlichen Jahrhundert fehlen eindeutige Belege. Namentlich
erstmals erwähnt wird der zweite Petrusbrief bei Origenes (Jos.hom.
7,1; vgl. Euseb, h.e. VI 25,8). Euseb erklärt den Brief als unecht
(h.e. III 25,3); Hieronymus verweist auf die Differenz des Stiles zum
ersten Petrusbrief (Hieronymus, de viris inlustribus 1). Allerdings erklärt
Euseb auch, der Brief erscheine doch vielen als lehrreich, so daß
sie ihn unter die anerkannten Schriften einreihten (Euseb, h.e. III 3,1).
Das Konzil von Laodizea (360) und Athanasius in seinem 39. Osterfestbrief
haben ihn schließlich als kanonisch anerkannt, ebenso im Westen
Hilarius, Ambrosius, Hieronymus und Priscillian, während er in Syrien
sich teilweise nicht durchsetzen konnte.
Grobgliederung
1,1-2 Präskript
1,3-12 Mahnung zu Tugend und Gottesfurcht.
1,13-15 Vorverweis auf den Tod des Petrus
1,16-21 Jesu Verklärung und das prophetische Wort als Garanten der
Gewißheit der Parusie
2 Gottes Gericht über die Irrlehrer
3,1-13 Gewißheit der Parusie trotz anderslautenden Spottes
3,14-18 Letzte Ermahnungen, Doxologie.
Feingliederung
1,1-2 Präskript
1,3-11 Mahnung zur Tugend und Gottesfurcht.
Die hellenistischer Frömmigkeit entsprechende Wendung „Teilhabe
an der göttlichen Natur“ meint wohl kaum die Verwandlung in
Gottes eigenes Wesen, wohl aber Unsterblichkeit (vgl. auch Philo, Quaest
in Ex 2,29). Als nächste neutestamentliche Parallele ist 1 Joh 3,2
anzusehen.
Der von den Christen geforderte Wandel äußert sich in den in
2 Pt 1,5b-7 genannten Tugenden: Glaube, Liebe, Erkenntnis, Enthaltsamkeit,
Geduld, Frömmigkeit, Bruderliebe, Nächstenliebe.
1,12-15 Der Verweis auf den bevorstehenden Tod
Der Hinweis auf den bevorstehenden Tod des „Petrus“
soll den Worten Gewicht verleihen, ebenso der folgende Abschnitt, der
den Verfasser als Augenzeugen der Verklärung in Anspruch nimmt.
Zum Motiv der Berufung durch die Gottheit vgl. Pausanias, Descriptio Graeciae
10,32,13.
1,16-21 Die Verklärung Jesu und das prophetische Wort
Frage zur Weiterarbeit:
Nennen Sie die synoptischen Parallelen zu 2 Pt 1,16-21.
Die Bedeutung des innerhalb des 2. Pt durchaus gewichtigen Textes wird
erst durch einen Blick auf das Gesamtziel des in der Mitte des 2. Jhdts.
n. Chr. geschriebenen Briefes erkannt, vor dem Einbruch einer Irrlehre
zu warnen, die nach der Darstellung des Verfassers die Leugnung der Wiederkunft
Christi mit sittlichem Libertinismus verbindet.
Gegen die Bestreitung der Parusie (2 Pt 3,4) wird die Hauptaussage der
Wiederkunft Christi bereits in 2 Pt 1,16 als Hauptthema der Verkündigung
des Verfassers angeführt. Diese Botschaft hat er nicht anhand „ausgeklügelter
Mythen“ eigener oder fremder Phantasie gewonnen, sondern aufgrund
eigenen Erlebens göttlicher Bestätigung der Herrlichkeit Christi.
Von der Verklärungsgeschichte wird das zentrale göttliche Wort
an Jesus zitiert (V. 17) und dessen die Autorität Jesu stützender
Ertrag benannt („er empfing Preis und Ehre von Gott“ und ist
dadurch als sein Sohn legitimiert); ferner wird die Augenzeugenschaft
der Jünger betont (V. 18): Sie sind als auserwählte Augen- und
Ohrenzeugen dieser Geschichte (epoptai ist Mysterienterminus, der die
Augenzeugen eines nur Auserwählten zugänglichen Mysteriums bezeichnet)
Garanten der kirchlichen Tradition, die die Wiederkunft Jesu ebenso verkündigt
wie Regeln für das christliche Leben formuliert. V. 19 wird die alttestamentliche
Prophetie angesprochen, die ebenfalls schon von der Wiederkunft des Herrn
gesprochen hatte, und in der Gott selbst zur Gemeinde spricht (das ist
impliziert in der Entgegensetzung „eigene Auslegung aus menschlichem
Willen vs. Heiliger Geist“); V. 20f. wird deren Wahrheit, d.h. deren
Herkunft von Gott verbürgt.
2,1-22 Gerichtsankündigung gegen die Gegner
Neben der Prophetie der Heiligen Schrift (2 Pt 1,20) gab und
gibt es jedoch auch falsche Prophetie: 2,1f. Der Verfasser verzichtet
auf die genaue Kennzeichnung und erspart sich somit die inhaltliche Auseinandersetzung,
sein Verweis auf die Verleugnung des Herrn, die Ausschweifungen und die
Habsucht will die Adressaten von vornherein gegen diese falschen Propheten
einnehmen (2,1-3a), ebenso die Ankündigung des Gerichtes (V. 3b).
Der Blick auf Gottes früheres Handeln (V. 4-8) läßt sein
Strafhandeln auch für diese Gegner erwarten (V. 9-10a). V. 10b-11
sind im Verständnis umstritten. Die „Herrlichkeiten“
sind wohl die auf der Seite Gottes stehenden Engel, die mit Christus zum
Gericht kommen. V. 11 könnte besagen, daß wiederum Engel Gottes,
obwohl sie den Lästerern an Status überlegen sind, kein Urteil
über sie fällen, sondern es Gott überlassen. V. 12-22 entspricht
wiederum der Absicht des Verfassers, die Adressaten gegen diese Lästerer
einzunehmen, ohne daß (mit Ausnahme von V. 19) erkennbar inhaltlich
argumentiert würde. Ihre Lebensweise hat sie faktisch wieder ins
Heidentum zurückgeführt (2,22). Genannt werden Gelage V. 13,
sexuelle Verfehlungen V. 14.18 (vgl. schon V. 2.7), Habgier V. 15 (vgl.
schon V. 3a), also die üblichen Topoi der Ketzerpolemik.
3,1-13 Gewißheit der Parusie trotz anderslautenden Spottes
„Spötter“ versuchen die Vorstellung der Wiederkunft
Christi als absurd zu erweisen: Seitdem die Väter der ersten christlichen
Generation gestorben sind, die noch brennend auf die Parusie warteten,
bleibt alles beim alten (3,4). Mit dem natürlichen Fortgang des Weltenlaufes
ist für sie die Hoffnung der Wiederkunft Christi erledigt.
Aufgabe zur Weiterarbeit:
Nennen Sie Texte zur urchristlichen Naherwartung
3,14-18 Letzte Ermahnungen, Doxologie.
In dem berühmten Stoßseufzer 2 Pt 3,15f. verweist
der Verfasser auf das (im einzelnen nicht spezifizierte) literarische
Werk des Paulus, dessen Inhalt er in seinen Worten wiedergibt: Paulus
habe von der Langmut des Herrn als unserer Rettung gesprochen und wird
so als Kronzeuge für die positive Deutung des Parusieverzuges aufgerufen
(zum Stichwort „Langmut“ vgl. V. 9 mit V. 15, bei Paulus von
Gott selbst: Röm 2,4; 3,25; vgl. 9,22, allerdings in anderem Zusammenhang.
Vergleichbar ist die Aussage über die Langmut Christi bei der Bekehrung
des prototypischen Sünders Paulus 1 Tim 1,16).
Theologische Grundgedanken
2 Pt gibt sich als Testament des Petrus (1.13-15),
in dem der Verfasser im Hinblick auf die Zukunft vor dem Einbruch von
Irrlehrern in die Gemeinde warnen will. Testamentenliteratur bedenkt im
frühen Judentum wie im frühen Christentum die Problematik der
Kontinuität angesichts einer Schwellensituation: Es gilt im Bewusstsein
der künftigen Abwesenheit der Autoritätsfigur Weisungen für
die weitergehende Geschichte zu geben; die Situation des Sterbens der
Autoritätsfigur verleiht ihren Worten Gewicht (V. 12-15). Einen zusätzlichen
Autoritätsaufweis intendiert die Augenzeugenschaft der Verklärung
und die Inanspruchnahme des prophetischen geistgewirkten Wortes (V. 16-21).
Der Brief intendiert eine „Apologie der urchristlichen Eschatologie“
(E. Käsemann); die Relevanz des Themas ist für den Verfasser
offensichtlich mit dem die Gemeinde gefährdenden Zusammenhang zwischen
verfehlter Eschatologie und verfehlter Ethik gegeben. Der Zusammenhang
wird nicht näher entfaltet, denn an inhaltlicher Auseinandersetzung
ist der Verfasser nicht interessiert.
Die Parusie Jesu Christi wird das Gericht über die Sünder incl.
der Irrlehrer bringen; dieses Gericht ist durch das prophetische Wort
im Voraus verkündigt (1,16.19) und durch gewisse Ereignisse im Voraus
dargestellt (3,5-7). Diese Vorausdarstellungen belegen die Gewissheit
dieses kommenden Gerichtes, während seine Unberechenbarkeit durch
das in urchristlicher Tradition verbreitete Bildwort vom Dieb festgehalten
wird (3,10).
Ist die Polemik gegen die „Falschpropheten“ und „Spötter“
für die Rekonstruktion ihrer Lehren nur mit großer Vorsicht
zu verwenden, so ist sie doch aufschlussreich für die Zeichnung christlichen
Lebens im Sinne des Verfassers, denn die Irrlehrer und die Spötter
(3,3) werden in ihrer Verhaftung an die Begierden (s. zu 2,1-22) als das
Gegenbild der angeredeten Christen gezeichnet (1,4). Diese werden als
Heidenchristen angesprochen: Christsein bedeutet, durch den Herrn erkauft
zu sein (2,1) und durch die Erkenntnis Jesu Christi der Befleckung durch
die Welt entflohen (2,20) und in den Horizont der Wiederkunft Christi
hingestellt zu sein. Im Gehorsam gegenüber der durch das Wort der
apostolischen Augenzeugen bestätigten Heiligen Schrift gilt es das
Gericht Gottes zu erwarten; das fordert daher einen makellosen Wandel
(3,11) fernab aller Begierden (das Gegenbild dazu: 2,13-18).
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