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Lektion 10: Katholische
Briefe
Katholische Briefe
Der erste Petrusbrief
Der Judasbrief
Der zweite Petrusbrief
Der Jakobusbrief
Der erste Johannesbrief
Der zweite Johannesbrief
Der dritte Johannesbrief
Der Jakobusbrief
Rezeption
Die Rezeption des Jakobusbriefes läßt sich
vor 200 n. Chr. nicht sicher nachweise. Im canon Muratori fehlt er ebenso
wie bei Tertullian. Erstmals zitiert ihn Origenes als Heilige Schrift,
doch noch Euseb bemerkt, daß der Jakobusbrief von einigen für
unecht gehalten wird (Euseb, h.e. 2,25,3). Als allgemein anerkannt gilt
er in der griechischen Kirche seit der Synode von Laodicea (360) und dem
39. Osterfestbrief des Athanasius von Alexandrien; in der syrischen Kirche
ist er weiterhin Vorbehalten ausgesetzt. Im Westen wird seine Rezeption
erstmals durch den Codex Corbeiensis, eine altlateinische Übersetzung
aus dem 4. Jhdt. bezeugt, dann bei Hieronymus und Augustin in größerem
Maße rezipiert, so daß er auf den Synoden von Rom 382 und
Karthago 397 als kanonisch anerkannt wird, doch noch Hieronymus vermerkt,
daß ihn manche für unecht halten.
Verfasserfrage
Der Brief gibt an, von „Jakobus“ geschrieben
zu sein. Im NT werden fünf Leute mit Namen Jakobus genannt:
- Der Zebedaide Jakobus Mk 1,19; 3,17; Apg 12,2
- Jakobus, der Sohn des Alphaeus Mk 3,18
- Der Bruder Jesu Mk 6,3; 1 Kor 15,7; Gal 1,19; 2,9.12; Apg 12,17; 15,13;
21,18; Jud 1.
- Jakobus der Kleine Mk 15,40
- Jakobus, Vater des Apostels Judas Lk 6,16; Apg 1,13.
Von den zwei prominenten Trägern des Namens in der urchristlichen
Geschichte kommt weniger der Zebedaide Jakobus in Frage, der bereits vor
44 n. Chr. das Martyrium erlitten hat, sondern der Bruder Jesu, der erst
nachösterlich (für die Zeit vor Ostern vgl. Mk 3,20f.31-35;
Joh 7,5) zum Glauben an Jesus als den Messias bekehrt wurde (1 Kor 15,7)
und schon zur Zeit des sog. Apostelkonzils in Jerusalem eine wichtige
Stellung einnahm (vgl. Gal 1,19; Gal 2,9; vgl. auch Apg 15), dessen Position
allerdings nicht immer von allen führenden Gestalten der Urgemeinde
geteilt wurde (vgl. die indirekte Erwähnung von Differenzen in Gal
2,11-14). Das Martyrium des Jakobus um 62 n. Chr. ist durch Josephus Ant
20,200f. bezeugt und legendarisch bei dem Kirchenschriftsteller Hegesipp
ge-schildert (bei Euseb, H.E. 2,23,4-19). Historisch dürfte an Hegesipps
Bericht nur das hohe Ansehen sein, das Jakobus aufgrund seiner Gerechtigkeit
genoß. Verfehlt ist bei Hegesipp, daß alle Juden, auch die
Pharisäer Interesse an dem Tod des Jakobus gehabt haben sollen: Nach
Josephus sind sie nämlich Gegner des Hohenpriesters, der über
die Hinrichtung des Jakobus zu Fall kam.
Doch stellen sich einer Rückführung dieses Briefes auf den Herrenbruder
Jakobus Bedenken entgegen: Erst relativ spät wird der Brief als kanonisch
anerkannt, was bei einer alten Tradition über die Verfasserschaft
des Herrenbruders schwer verständlich wäre; die ältesten
großkirchlichen Zeugen (anders gnostische Zeugen, vgl. NHC I 1ff.!)
wissen nichts von einem solchen Brief. Der Brief verweist nie auf die
Verkündigung Jesu von Nazareth, auch da nicht, wo er sich inhaltlich
stark mit synoptischer Tradition berührt (vgl. z.B. Jak 5,12) oder
wo es sich aus anderen Gründen nahe legen könnte (in Jak 5,10f.
wird auf Hiob als Beispiel der Leidensbereitschaft verwiesen, nicht auf
Jesus; vgl. dagegen 1 Pt 2,21-25). Der antiochenische Zwischenfall wird
nicht erwähnt, obwohl Jak 2,14-26 dazu Anlass bieten; er Verfasser
des Jak rechnet sich in Jak 3,1 selbst unter die große Gruppe der
christlichen Lehrer ein, nimmt aber nicht die Autorität eines der
drei „Säulen“ (Gal 2,9) in Anspruch (vgl. dagegen Gal
2,12).
Ort und Zeit
Der Jakobusbrief thematisiert deutlich die Gefahren
des Reichtums und berührt sich damit mit anderen neutestamentlichen
Spätschriften (lukanisches Doppelwerk, Pastoralbriefe, Offenbarung
des Johannes). Der Brief kann um die Wende vom ersten zum zweiten nachchristlichen
Jahrhundert entstanden sein. Wo der Brief entstanden ist, wissen wir nicht.
Grobgliederung
Beim Jakobusbrief steht jeder Versuch der Grobgliederung
in der Gefahr, dem Leser eine sukzessive Abarbeitung bestimmter Themen
zu suggerieren; sie kann daher nur notgedrungen eine Orientierungshilfe
bieten.
1 Mahnung zur Bewährung in der Anfechtung
2 Die soziale und materielle Selbstverweigerung gegenüber dem Armen
konkretisiert den Glauben ohne Werke.
3,1-12 Mahnung zum verantwortlichen Reden
3,13-5,6 Richtige und falsche Lebenseinstellungen
5,7-20 Mahnungen zur Geduld und zur rechten praxis pietatis
Feingliederung
1,1 Präskript
Die zwölf Stämme in der Zerstreuung sind Symbol für
das Gottesvolk in der Situation der Fremde (der Existenz inmitten der
nichtchristlichen Umwelt) oder in der Situation vor der endgültigen
Sammlung des zerstreuten Gottesvolkes.
1,2-18 Vom Umgang mit der Versuchung
Für Jak 1 sind auch andere Gliederungsvorschläge möglich.
Die „Prüfung“, die man annehmen soll, besteht nicht in
Verfolgungen, sondern in der Erfahrung der eigenen menschlichen Schwäche
(vgl. V. 15), deren Überwindung ist Bewährung im Glauben, die
Beharrlichkeit im rechten Lebenswandel nach sich zieht (V. 2-4). In einem
Exkurs wird geklärt, was man tun soll, wenn einem diese Weisheit
nicht gegeben zu sein scheint: Man soll ohne zu zweifeln Gott um diese
Weisheit bitten, der sie einem nicht vorenthalten wird (V. 5-8; zu V.
5 vgl. V. 17), und man soll die göttliche Umwertung der Werte auch
in anderen Bereichen akzeptieren (V. 9-11).
12-15 betont wie schon JesSir 15,11-20 daß der Ursprung der „Prüfung“
nicht in Gott, sondern im Menschen beschlossen liegt, und nimmt damit
auf eine auch in der paganen Antike geführte Diskussion um das Wesen
Gottes (vgl Platon, Rep. II 380b) Bezug.
1,19-27 Das Wesen christlicher Frömmigkeit
Das Wesen christlicher Frömmigkeit besteht im Tun des Wortes
Gottes (1,22-25), vor allem im Tun der Nächstenliebe
2,1-13 Kein Ansehen der Person
Vor einer Ungleichbehandlung des Reichen und des Armen in der
Gemeindeversammlung (V. 1-4) wird in V. 5 theologisch, in V. 6f. mit einem
Argument aus der Erfahrung gewarnt, inV. 8-11 wird dieses Fehlverhalten
als Verstoß gegen das eine unteilbare Gesetz gebrandmarkt, der den
Menschen am Gesetz insgesamt schuldig werden läßt. Das Gericht
über denjenigen, der unbarmherzig ist, wird seinerseits unbarmherzig
sein. Das Gesetz der Freiheit dürfte mit dem „königlichen
Gesetz“, dem Gesetz vom königlichen Rang (von V. 8) = dem Gebot
der Nächstenliebe zu identifizieren sein. Zu diesem Gebot vgl. Mk
12,28-34; Mt 5,43f.; Lk 6,27f.; Gal 5,14; Röm 13,8-10; für das
Gebot der Bruderliebe Joh 13,34; 1 Joh 2,7f.; 3,11-18; 2 Joh 5.
2,14-26 Glaube und Werke
Auch der folgende, wiederum ins Grundlegende vorstoßende
Abschnitt ist durch ethisches Fehlverhalten des Reichen veranlaßt,
der es an der spontanen Bereitschaft zur Unterstützung des Armen
fehlen läßt - daran wird das Fehlen der „Werke“
deutlich. die folgenden Ausführungen dürften wohl weniger gegen
Paulus selbst als vielmehr gegen eine verfehlte Berufung auf die Verkündigung
des Apostels gerichtet sein (die Werke, die nach Paulus nicht zur Rechtfertigung
führen, sind die Handlungen des vorchristlichen Menschen; für
die geforderten Werke des Christen vgl. bei Paulus Gal 5,6 u.a.). V. 18
soll weniger einen gegnerischen Einwand formulieren als den wesentlichen
Diskussionsgegenstand herausarbeiten (W. Popkes, Der Brief des Jakobus,
ThHK 14, Leipzig 2001, 199); in der Sache kommt V. 18b ohnehin der Position
des Jakobus gleich, die einen Glauben, der sich nicht in Werken äußert,
nicht akzeptieren kann. Auffällig ist, daß in 2,19 das monotheistische,
nicht das christologische Bekenntnis angeführt wird.
Daß Abraham aus Werken gerechtfertigt wird, hält Jakobus in
Übereinstimmung mit frühjüdischer Tradition fest. Als rechtfertigendes
Werk gilt hier wie u.a. in 1 Makk 2,52 die Opferung Isaaks nach Gen 22.
Gerade diese Opferung Isaaks ist für Jak 2,21-23 der höchste
Vertrauensbeweis, in dem der in Gen 15,6 angesprochene Glaube Abrahams
zu seiner Vollendung kommt.
Das Stichwort »Zusammenwirken« Jak 2,22 hat den theologischen
Begriff des »Synergismus« aus sich herausgesetzt, das in der
frühmittelalterlichen (Augustin contra Pelagius) und reformatorischen
Diskussion von Bedeutung wird und die vom augustinischen bzw. protestantischen
Standpunkt (die im einzelnen keineswegs identisch sind!) her abgewiesene
Position bezeichnen.
3,1-12 Mahnung zum verantwortlichen Reden!
Argumente und Vergleiche aus der Erfahrung (V. 3-8) stehen neben
dem theologischen Argument, daß sich Lobpreis Gottes und Verfluchung
nicht vertragen. Zur intendierten homoiosis des Menschen zu Gott (Jk 3,9)
vgl. Gen 1,26; 1 Joh 3,2.
3,13-18 Die wahre Weisheit
Jak 3,13-18 ist das positive Gegenbild zu der in 4,1-6 entfalteten
Warnung vor Begehrlichkeit.
4,1-12 Warnung vor Unfrieden und weltlichem Sinn
Die in den Auseinandersetzungen sichtbare materielle Begehrlichkeit
ist Ausdruck der „Freundschaft zur Welt“ und damit der „Feindschaft
gegenüber Gott“. M.E. stehen hier nicht die Auseinandersetzungen
in der Gemeinde, sondern die durch das materielle Streben verursachten
Auseinandersetzungen mit ihren belastenden Folgen (4,3b) zur Diskussion.
Weniger der Christ als Gemeindeglied denn vielmehr der Christ als Privatmann
tritt vor Augen (so auch Jak 4,13-17).
Zu Jak 4,3 (Beten in übler Absicht) vgl. als pagane Parallelen Xenophanes,
Frgm. 1; Sokrates, nach Xenophon, memorabilia 1,3,2; Horaz, ep. 1,16,57-62;
Horaz, sat. 2,6,8-13; Persius sat.2,5-16.
4,13-17 Warnung vor falscher Selbstgewißheit
Jak 4,15 („wenn der Herr will und wir leben“) ist
die sog. conditio Iacobaea.
5,1-6 Gericht über die Reichen
Zur Kritik am Reichtum vgl. schon Mi 3, Jes 58,1-9.
5,7-11 Mahnung zur Geduld
Aus der Gewißheit der Parusie folgt die Forderung eines
entsprechenden Verhaltens. Hiob ist nicht nur Vorbild in der Geduld, vielmehr
ist die abschließende positive Wendung seines Geschickes ein Sinnbild
dessen, daß der neue Äon den alten Äon überwindet;
der Verweis darauf hilft dem gegenwärtigen Leser des Jakobusbriefes,
die negativen Erfahrungen dieses Äons zu bewältigen.
5,12 Warnung vor dem Schwören
Sachlich vergleichbar ist Mt 5,34-37, doch wird in Jak 5,12
nicht auf die Autorität Jesu rekurriert.
5,13-18 Die Gemeinde und ihre Kranken
Als Beispiel für die Wirksamkeit des Gebetes gilt in Jak
5,16b-18 Elia.
5,19-20 Liebe zu den irrenden Brüdern
Wer einen Sünder aus der Gemeinde wieder auf den rechten
Weg bringt, rettet ihn vom Tode.
Theologische Grundgedanken
Sein unverwechselbares Proprium hat der Jakobusbrief
in seiner Konzentration auf das soziale Verhalten des Christen, das in
einer sonst nur aus Amos und Micha bekannten Schärfte in den Blick
genommen wird.
Der Jakobusbrief nimmt das Verhalten der Christen nicht nur in der Gemeindeversammlung
(2,1-13), sondern auch in seinen privaten Lebensvollzügen in den
Blick. Als Gefahren gelten Begehrlichkeit (4,1-6), Selbstsicherheit (4,13-17)
und vor allem der Reichtum (5,1-6), der, erstrebt wie geachtet (2,1-4),
bis in die christliche Gemeindeversammlung hinein spaltend wirken kann.
All dieses Verhalten ist asozial und inhuman (4,2; 5,6). Gefordert ist
von dem Reichen die spontane Bereitschaft zu materieller Hilfeleistung,
während eine gemeindlich organisierte dauerhafte karitative Aktivität
(und die dazu notwendige Voraussetzung eines gewissen Reichtums einiger
Gemeindeglieder) nicht explizit erwähnt ist und offenbar auch nicht
angestrebt wird.
Ähnlich wie in frühjüdischer Weisheitsliteratur stehen
Argumente aus der Erfahrung neben Argumenten aus der Schrift und Begründungen
mit dem Handeln Gottes. Innerhalb dieser Vielfalt der Argumentation ist
die enge Verbindung von Sozialethik und Theologie (sic!) kennzeichnend,
betreffend 1. die Basis, 2. die Motivation und 3. den Horizont des Handelns.
1. Gott ist der „Vater des Lichtes“, der unveränderlich
Gute (1,17); er ist Geber des Guten, nicht des Bösen; ähnliches
gilt von der „Weisheit von oben“ (3,13-18). Die Güte
der Gabe entspricht der Güte des Gebers, und zu den guten Gaben Gottes
gehört vor allem die Weisheit, die zur richtigen Lebenseinstellung
verhilft (vgl. Jak 3,13-18 vor Jk 4 sowie bereits Jak 1,5). Christsein
schließt weltlichen Sinn aus (3,13-18, 4,4).
2. Gott hat den Armen erwählt (2,5), darum ist die Verachtung des
Armen Widerspruch zum Handeln Gottes (2,6). Das „königliche
Gesetz“ der Nächstenliebe Lev 19,18 schließt die Verachtung
des Armen aus (2,8f.; zur Frage der Motivation des Handelns durch die
Schrift vgl. auch 1,22 sowie die Verweise auf die biblischen Gestalten
Abraham in Jak 2,21-23, Rahab in Jak 2,25; Hiob in Jak 5,11, Elia in Jak
5,17f. und die Propheten in Jak 5,10). Die Gottesebenbildlichkeit des
Menschen verwehrt, das man ihm flucht, während man Gott lobpreist
(Jak 3,9-11).
3. Christliches Handeln ist generell Handeln „vor Gott“ (1,27).
Gott steht auf der Seite der Armen (Jak 5,4), während das Gericht,
das nach dem Gesetz der Freiheit (!) erfolgt (2,12), denjenigen, der unbarmherzig
ist, seinerseits unbarmherzig trifft (2,13).
Hingegen ist die Christologie in diesem thematischen Zusammenhängen
nicht von Bedeutung (anders 2 Kor 8,9).
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