Lektion 12: Die Offenbarung des Johannes

Vorbemerkungen
Verfasserfrage
Die Rezeption der Johannesoffenbarung
Die Adressaten
Situation
Datierung und Lokalisierung
Gattung
Theologische Voraussetzungen
Literarische Gemeinsamkeiten
Theologische Gemeinsamkeiten
Grobgliederung
Feingliederung
Exkurs: Chiliasmus
Theologische Grundgedanken

Feingliederung

1,1-3 Buchüberschrift

Diese Buchüberschrift trifft grundlegende Aussagen zu Selbstanspruch, Inhalt und Thema des Gesamtwerkes. Thema ist „das, was in Kürze geschehen muss,“ (vgl. Dan 2,28 LXX), der Inhalt ist „Offenbarung“, was die Botschaft dieses Buches hinsichtlich ihres himmlischen Ursprungs charakterisiert, und daraus leitet sich auch der Geltungsanspruch der Schrift ab. Daß der Seher bezeugt, was Christus ihm als von Gott gegebene Offenbarung bezeugt hat (V. 2), stellt einerseits sicher, daß die Autorität des Sehers nicht aus seiner Person erwächst, sondern aus dem ihm aufgetragenen Zeugnis, markiert andererseits, wie die Seligpreisung V. 3 weiter ausführt, den Anspruch, daß die unverfälschte Bewahrung (vgl. 22,18f.) und Bewährung dieser Botschaft im Gehorsam (vgl. 14,4f.) heilsentscheidend ist. Die Johannesoffenbarung sollte öffentlich im Gottesdienst verlesen werden und ist vielleicht deshalb (vgl. 1,4-8; 22,21) als Brief gestaltet, wie auch anderweitig die fallweise Verlesung von Briefen bezeugt ist (Ko. 4,16).

1,4-8 Präskript

Das Präskript folgt ähnlich wie das der Paulusbriefe dem zweigliedrigen orientalischen Schema (X dem Y: dir sei Heil) und nützt die damit gegebene Freiheit aus, von Anfang an gewichtige Akzente zu setzen. Die Gottesprädikation „Der da ist und der da war und der da kommt“ greift zunächst Ex 3,14 LXX auf und hat auch in den Erweiterungen Parallelen in hellenistischer und frühjüdischer Tradition (dort ebenfalls in Auslegung zu Ex 3,14); dabei wird die Zukunft Gottes nicht als „Sein“, sondern als (eschatologisches) „Kommen“ (vgl. 1,1.3) beschrieben. Die sieben Geister sind wohl als Engel gedacht (vgl. die sieben Erzengel nach Tob 12,15); die Siebenzahl ist Ausdruck der Vollkommenheit. Die christologischen Aussagen in V. 5.6 bringen als titulare Prädikationen vorwiegend die Bedeutung des erhöhten Christus für die Gegenwart und Zukunft zum Ausdruck, als Tatprädikationen das vorausgesetzte Heilsgeschehen, das das neue Sein der Christen erst ermöglicht (Müller). Die Benennung „der treue Zeuge“ wird auf Jesu Erdenwirken (Roloff) oder, entsprechend der Zeugnisterminologie der Johannesoffenbarung, auf die Funktion als Zeuge dieser Offenbarung (Müller) bezogen. V. 7f. summieren zwei Hauptaussagen der Johannesoffenbarung, die Wiederkunft Christi und die alles umgreifende, sich nunmehr durchsetzende Macht Gottes.

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1,9-20 Beauftragungsvision

Der Seher stellt sich den Briefempfängern nicht mit Hilfe einer Amts- oder Funktionsbezeichnung vor, sondern mit dem allgemein-christlichen Terminus „Bruder“.

Aufgabe zur Weiterarbeit: V. 9 beschreibt christliche Existenz mit den Begriffen „Bedrängnis, Königsherrschaft, Ausharren“ – in dieser Anordnung. Begründen Sie exegetisch deren Sinn.

Patmos, an der kleinasiatischen Westküste gelegen, war vermutlich der Ort der Verbannung des Sehers, der Bedrängnisse um des Zeugnisses Jesu willen somit am eigenen Leib erfahren hatte. Zum Terminus „Herrentag“ vgl. IgnMagn 9; Barn 15,9. Unbekannt ist, ab wann und durch wen der Tag nach dem Sabbat zu dem üblichen Tag des christlichen Gottesdienstes wurde.

Johannes sieht Christus inmitten eines Kranzes von sieben Leuchtern (vgl. 2,1), die seine Gemeinden symbolisieren, dass Christus inmitten ihrer steht, verweist auf machtvolle Gegenwart statt Absenz (Caird). Einzelne Züge der Visionsschilderung (Augen wie Feuerflammen, zweischneidiges Schwert) stilisieren Christus als Richter (zu dieser Funktion Christi vgl. u.a. die Sendschreiben); mehrfach sind Attribute auf Christus übertragen, die ursprünglich Gott oder auch den Engeln galten. 7,17a ist das Erschrecken des Offenbarungsempfängers angesichts der überwältigenden Wirklichkeit des Göttlichen, vor der er als der sündige Mensch vergehen muß (Ex 32,19; Jes 6,5; Dan 8,18; 10,5).

Die folgende Selbstvorstellung der Visionsgestalt enthält zunächst eine Qualifikationsformel im Sinne von Jes 44,6, sodann den Verweis auf Tod und Auferstehung Christi, als deren Frucht für ihn selbst das ewige Leben zu gelten hat, schließlich den Verweis auf die Funktion Christi als Richter.

Die „Engel der Gemeinden“ sind wohl kaum ihre irdischen „Amtsträger“ oder auch Boten (Kraft), sondern im Sinne der Vorstellung der Völkerengel (Dtn 32,8f. LXX; Sir 17,17; Dan 10,13.20f.) ihre himmlischen Repräsentanten und Doppelgänger. Soll diese Konzeption gegen Engelverehrung polemisieren (Roloff) oder „die Adressierung der Sendschreiben an die wirklichen Vertreter der Gemeinden ... umgehen“ (Müller, 89)?

2 - 3 Die Gegenwart der Gemeinde: die sieben Sendschreiben

Die sieben Sendschreiben werden im Rahmen der Beauftragungsvision dem Seher übermittelt. Sie haben folgende strukturelle Gemeinsamkeiten (bei Variationen im einzelnen):

1. Einleitungsformel mit christologischen Prädikationen, die teilweise auf Apk 1,9-20 zurückgreifen.
2. »Ich weiß« - folgt Anerkennung oder Tadel, meist weitergeführt mit einer einschränkenden Feststellung
3. Aufforderung zur Umkehr (fehlt bei den Gemeinden von Smyrna und Philadelphia)
4. »Siehe« - Prophetische Unheilsverkündigung oder Heilsverheißung
5. Hinweis auf das baldige Kommen des Herrn
6. Mahnung, daß die Gemeinde bewahren soll, was sie hat
7. Weckruf (»Wer Ohren hat, der höre«) mit Überwinderspruch

In der Auslegung dieser Texte will die enge motivische Verzahnung der einzelnen Teile beachtet sein.

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2,1-7 Ephesus

Ephesus war eine der wichtigsten Städte Kleinasiens mit markanter religiöser Tradition (vgl. Apg 19,23-40) und für über zwei Jahre der Wirkungsort des Apostels Paulus (Apg 19,10). Der Seher bescheinigt der Gemeinde ein vom Glauben geprägtes Verhalten, aktiver missionarischer Einsatz und Bewährung im Leiden, hält ihr jedoch die Ermüdung in der gegenseitig geübten Nächstenliebe (V. 4) vor und droht mit Ausschluß vom eschatologischen Heil (V. 5). Immerhin hat sie, so der Seher, sich von falschen Aposteln (V. 2 - Ist damit u.a. Paulus gemeint wegen seiner prinzipiellen Freigabe des Götzenopferfleisches 1 Kor 8?) und von den Nikolaiten distanziert (V. 6); ein ähnliches Lob, bezogen auf die Abgrenzung von Doketen, kann Ignatius aussprechen (IgnEph 9,1). Daß dem Überwinder, d.h. dem Märtyrer, aber auch anderen standhaften Christen, verheißen wird, vom Baum des Lebens zu essen (V. 7b), hebt die Beschränkungen von Gen 3,22 auf (vgl. dazu TestLevi 18,10f.; äthHen 24,4; 25,4f.).

2,8-11 Smyrna

Daß gerade für Smyrna (heute Izmir) die Spannungen zwischen Juden und Christen besonders heftig waren, könnten auch MartPolyk 13,1; 17,2 belegen. Für die nicht an Jesus glaubenden Juden hat der Seher keine positive Heilszukunft im Auge (vgl. dagegen Röm 11,33-36); er erkennt ihnen den Ehrennamen „Juden“ ab, weil sie dem Herrschaftsbereich Satans verfallen sind. Zum „Kranz des Lebens“ (V 10) vgl. die „Krone der Herrlichkeit“, die nach 1QS IV 7f.am Ende der Tage den Gerechten zuteil werden wird.

2,12-17 Pergamon

Pergamon war ein bedeutendes religiöses Zentrum, vgl. den Pergamonaltar, dessen Reste heute in Berlin zu besichtigen sind, das in der Nähe gelegene Asklepios-Heiligtum sowie den 29 v. Chr. gebauten Tempel für die Göttin Roma und den Kaiser Augustus. Die Gemeinde wird einerseits für ihre Standhaftigkeit gegenüber dem Götzendienst gelobt, andererseits wegen ihrer Duldung der Nikolaiten (eine Gruppe, die sich vielleicht auf den in Apg 6,5 erwähnten Nikolaos berufen hat) getadelt, die der Seher mit Bileam vergleicht: Er soll nach Num 31,16 den Midianitern geraten haben, mit Hilfe ihrer jungen Mädchen (Num 25,1-3) die Israeliten zum Götzendienst zu verführen. Unsicher bleibt, ob der Ausdruck „Hurerei“ wörtlich eine nicht den strengeren christlichen Anforderungen entsprechende Sexualmoral meint (dagegen spricht nach Caird, dass die in Apk 2,20 genannte Isebel nie der Hurerei im wörtlichen Sinne beschuldigt wird) oder im übertragenen Sinne den Abfall des Volkes von Gott (vgl. Hos 2; Jer 3,1-4,4; Ez 23). Die Verbindung des Verbotes, Götzenopferfleisch zu essen, mit dem Ausdruck „Hurerei“ begegnet auch im sog. Aposteldekret Apg 15,29; möglicherweise war es als vorlukanisches Traditionsstück auch dem Seher Johannes bekannt. Die Nikolaiten sahen sich offensichtlich ebensowenig wie Paulus an entsprechende Vorschriften gebunden. Ihre Haltung implizierte wohl in den Augen des Sehers eine unziemliche Möglichkeit der Pflege privater und gesellschaftlicher Kontakte zu Nichtchristen.

2,18-29 Thyatira

Thyatira (heute Akhisar), etwa 70 km von Pergamon entfernt, war zur Zeit der Johannesoffenbarung eine bedeutende Handelsstadt, vor allem in der Textilherstellung (vgl. auch Apg 16,14).

Für „Isebel“ vgl. 1 Kön 16,31; 21,25, zur Problematik des Götzenopferfleisches und der Unzucht vgl. zu Apk 2,12-17. Die Wendung „Tiefen des Satans“ dürfte entstellende Polemik des Sehers gegenüber dem Selbstanspruch der angegriffenen Gruppe sein, „die Tiefen Gottes“ (vgl. 1 Kor 2,10) zu erkennen.

3,1-6 Sardes

Sardes, ursprünglich alte lydische Königsstadt (Krösus hatte hier geherrscht, war 133 v. Chr. an Rom gekommen, hatte durch ein Erdbeben 17 n. Chr. schwer gelitten, war aber unter Tiberius wieder aufgebaut worden. Die Stadt war als Umschlagplatz für Textilien bekannt, vielleicht spielt V. 5 darauf an.

Liegt Polemik gegen geschlechtliche Ausschweifungen (Bousset, Lohse, Müller im Umkehrschluß aus V. 4) oder gegen Kompromissbereitschaft (Sweet) oder gegen ein bloßes Namenschristentum (Roloff) bzw. Lauheit vor (Giesen)?

3,7-13 Philadelphia

Philadelphia war eine kleine Stadt 40 km südöstlich von Sardes, mit kleiner christlichen Gemeinde und größerem jüdischem Bevölkerungsanteil. Die Thematik des Konfliktes zwischen Christen und Juden wird in den Christusprädikationen V. 7, in der auf Jes 60,14 Bezug nehmenden Verheißung V. 10 wie in dem Überwinderspruch V. 12 angesprochen.

3,14-22 Laodicea

Laodicea, im Lykostal gelegen, war trotz zweier Erdbeben (17 n. Chr. und 60/61 n. Chr.) zur Zeit der Johannesoffenbarung wieder eine reiche Handelsstadt und zugleich Sitz einer Ausbildungsstätte für Ärzte; berühmt waren auch Heilmittel aus Laodicea (vgl. V. 18). Eine christliche Gemeinde ist durch Kol 4,15f. bezeugt. Die Kritik des Sehers V. 15f. richtet sich vermutlich gegen die falsche Selbstzufriedenheit (Müller, Ritt), gegen die fehlende Entschlossenheit zu rigoros christlichem Lebenswandel (Sweet, Roloff).

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4,1-22,5 Die Zukunft der Gemeinde

4,1-5,14 Die Thronsaalvision

4,1-11 Vor Gottes Thron

Die Thronsaalvision stellt einerseits der vergänglichen irdischen Wirklichkeit die unvergängliche göttliche Welt gegenüber; andererseits vergewissert sie, daß das Heil bereits verwirklicht und das endzeitliche Geschehen bereits in Gang gekommen ist. Literarische Vorbilder sind Ez 1 und Jes 6. Die 24 Ältesten sind die Mitglieder der himmlischen Ratsversammlung (1 Kön 22,19-22; Ps 89,6-9); die Zahl 24 sich auf die 24 Tagesstunden beziehen oder kann aus den 24 Priesterabteilungen nach 2 Chr 24,7-19 geschöpft sein. Das gläserne Meer ist wohl ursprünglich aus der Vorstellung des Himmelsozeans zu erklären (vgl. Gen 7,11; Ps 104,3). Die vier Lebewesen um Gottes Thron sind wohl nach äthHen 71,7 vier zur Wacht am Thron Gottes bestellte Wesen; Löwe, Stier und Adler repräsentieren die stärksten Tiere, die zusammen mit dem Abbild des Menschen wiederum Gottes Macht darstellen sollen. Die Deutung auf die Evangelisten (Irenäus, adv haer. III 11,8) setzt den Vierevangelienkanon voraus und ist vom Verfasser der Johannesoffenbarung nicht intendiert. V. 10f. lassen sich als Kritik am römischen Hofzeremoniell interpretieren: Vom Niederlegen der Krone vor Nero durch den persischen Vasallenkönig Tiridates berichtet Tacitus, ann. 15,29; in der Umgebung Domitians war die Anrede „dominus ac deus noster“ nicht unbekannt (Martial, Epigr. 5,8,1; 10,72,3), wenngleich sie nicht unbedingt von Domitian selbst so verlangt wurde. Solche Huldigungen, so der Verfasser der Johannesoffenbarung, gebühren Gott allein.

5,1-14 Das Lamm allein ist würdig, die Siegel zu öffnen

Zum Formschema vgl. 1 Kön 22,19-22; Jes 6: Es wird jemand gesucht, der mit einer bestimmten Funktion beauftragt werden soll. Die „sieben Siegel“ verweisen trotz der Feststellung V. 3 nicht darauf, daß der Inhalt des Buches geheimhaltungsbedürftig wäre, sondern kennzeichnen es als offizielle Urkunde, die aber nur der zu lesen bekommen soll, der dazu befugt ist. Die Buchrolle enthält gemäß Vorstellungen wie äthHen 91,12-17 die Darstellung des unmittelbar bevorstehenden Geschichtsablaufes, in dem nach apokalyptischer Vorstellung sich die Gottheit Gottes erweisen wird und die Hoffnungen seiner Getreuen ihre Bestätigung erfahren. Auf die Frage, ob sich nunmehr Gottes Gottheit durchsetzen wird, bezieht sich auch das Weinen des Sehers, das den existentiellen Ernst der Frage und seine Ratlosigkeit aufscheinen lässt (vgl. auch 6,9f.). Einer der Ältesten verweist den Seher auf Christus, der mit messianischen Würdetiteln benannt wird (vgl. Gen 49,9) und dessen Tod seine Bewährung gezeigt, der in diesem Sinne „überwunden“ hat. Für die traditionsgeschichtliche Ableitung des Begriffes „Lamm“ stehen u.a. Jes 53,7 / Apg 8,32 (dort aber das auch in Joh 1,29.36 gebrauchte „amnos“) und äthHen 89,45-49 zur Diskussion. Die Wendung „wie geschlachtet“ verweist auf den Kreuzestod Jesu (dazu V. 9), die Nennung der Augen (vgl. Sach 4,10) und Hörner (zum Horn als Symbol der Kraft vgl. Dtn 33,17 u.a.) bringen Herrschaftssymbole zum Ausdruck.

V. 9f. spricht die Entstehung der neuen, endzeitlichen Heilsgemeinde aus allen Nationen an. In den Lobpreis der himmlischen Liturgie stimmen auch die Schar der Dienstengel und die ganze Schöpfung ein. Zum Motiv der Übertragung der Ehre in V. 13 vgl. Phil 2,10.

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6,1-8,1 Die Siegelvisionen

6,1-17 Die Öffnung der ersten sechs Siegel

Als traditionsgeschichtliche Vorlage vgl. Sach 1,7-17; 6,1-8. Grundlegend ist ferner der Gedanke der in der Endzeit nicht abnehmenden, sondern gerade zunehmenden Bedrängnis; der Gedanke bringt zum Ausdruck, daß trotz der gegenwärtigen Unheilserfahrung die Macht Gottes und damit die geforderte Treue der Menschen zu ihm keineswegs fraglich ist. Die vier Pferde signalisieren vier Plagen: Krieg, Bürgerkrieg, Hungersnot, Tod (vielleicht ist bei dem ersten Pferd an die parthischen Reiterheere zu denken, die seit 62 n. Chr. zur ständigen Bedrohung der Ostgrenze des römischen Reiches wurden; die geheimnisvolle Stimme von V. 6 will möglicherweise die Härte der Not etwas einschränken).

V. 9-11 bringen innerhalb des Abschnittes 4,1-22,5 erstmals einen gewichtigen Aspekt der Situation der Christen auf Erden zur Sprache, das Martyrium. Dass auf den Ruf der Märtyrer 6,9 wiederholt Bezug genommen wird (16,5-7; 18,20.24; 19,2), erweist die drangvolle Brisanz des Themas. Der Ruf der Märtyrer ist nicht der Ruf nach menschlicher Rache, sondern die Bitte darum, daß Gott nunmehr auf den Plan trete, um sein Recht durchzusetzen (vgl. 4 Esr 4,35f.). Die Antwort V. 11 stellt freilich zunächst klar: die Leiden der Gemeinde werden noch wachsen. Das weiße Gewand ist Symbol für Heil und Gottesgemeinschaft.

Die Öffnung des sechsten Siegels enthält traditionelle Bilder der kosmischen Katastrophe, aber auch eine erste Antwort auf die Frage der Märtyrer in V. 9: Die Gottlosen werden vor der Macht Gottes bei seinem Kommen erschrecken. Von der Parusie ist aber noch nicht hier die Rede, sondern erst in Apk 19,11-21.

7,1-8 Die Versiegelten

Umstritten ist, ob das in Apk 7 Berichtete parallel zu den in Apk 6 berichteten Vorgängen vorzustellen ist oder im Anschluß daran. Die „Versiegelung“ erinnert an die Kennzeichnung von Gegenständen oder auch von Sklaven als Eigentum. Bei dem „Zeichen“ könnte an den letzten Buchstaben des hebräischen Alphabetes erinnert sein, der archaisch als liegendes oder stehendes Kreuz geschrieben werden konnte und so mit dem Christusmonogramm erscheinungsgleich war. Die Zahl 144 000 symbolisiert das zu seiner Vollzahl gekommene eschatologische Gottesvolk, die Zahl 1000 innerhalb dessen ist die Zahl der unübersehbar großen Menge. In der Stämmeliste fehlt der Stamm Dan, vielleicht, weil er in jüdischer Überlieferung (Ri 18; 1 Kön 12,29-33; Jer 8,16; TestDan 5,4ff.) als götzendienerisch angesehen wird.

7,9-17 Die Überwinder

Die Schau der Überwinder (= der Versiegelten) wird dem Seher gedeutet als endzeitliche Perspektive, dank derer die Gemeinde die bedrohliche Situation der Gegenwart durchstehen kann: den Märtyrern wird der unmittelbare Zugang zur Gottesgemeinschaft verheißen.

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8,1 Öffnung des siebten Siegels

Die „Stille“ ist entweder das Verstummen vor Entsetzen von Dan 4,16 (W. Bousset) oder die Stille von Zeph 1,7; Hab 2,20; Sach 2,17, bevor Gott zum Gerichtshandeln ansetzt (Müller, Ritt), oder die erstaunte Reaktion der Himmelsbewohner angesichts des bisher Wahrgenommenen (Giesen) oder das apokalyptische „Schweigen der Urzeit“, in das sich die Erde am Ende verwandeln werde (4 Esr 7,30); die Dauer der „halben Stunde“ kennzeichnet die Zeit als Übergangszeit (J. Roloff).

8,2-11,19 Die Posaunenvisionen

8,2-6 Vorbereitung

Die im Folgenden geschilderten Katastrophen für die gottlose Menschheit gehen auf die Initiative Gottes zurück, der damit auf die Bitten seiner Gemeinde um seine Selbstdurchsetzung antwortet. Daß der Engel das Feuer vom Altar auf die Erde wirft, ist symbolische Vorwegnahme des in den Posaunenvisionen Geschilderten. Donner und Blitz sind Elemente der Theophanie, des Erscheinens Gottes zum Gericht.

8,6-9,21 Die ersten sechs Posaunen

8,6-13 Die ersten vier Posaunen

Der Vergleich mit der Schalenvision könnte auf gemeinsame Traditionsgrundlagen verweisen. Wie in den als literarisches Vorbild fungierenden ägyptischen Plagen geht es um massive, aber nicht völlige Einschränkung der Lebensmöglichkeiten. Daß in 8,13 ein Adler (nach jüdischem Verständnis ein unreines Tier) genannt ist, könnte mit Hilfe der sachlichen Parallele syrBar 77,19ff. erklärt werden oder auf das Jesuswort „Wo das Aas ist, da sammeln sich die Adler“ Lk 17,37 als Traditionsgrundlage schließen lassen.

9,1-12 Die fünfte Posaune

Traditionsgrundlage dieser Vision sind vor allem die achte ägyptische Plage (Ex 10,12-20) sowie die Schilderung der Heuschreckenplage als Vorzeichen des Gerichtes in Joel 1; 2. Ausschließlich der Mensch wird geschädigt. Der Name „Abbadon“ meint „Untergang ins Totenreich“ (Ps 88,12; Hi 26,6 u.ö.).

9,13-21 Die sechste Posaune

Als erneute Strafaktion wird ein dämonisches Reiterheer entsandt, das den Tod über einen Teil der Menschheit bringt. Die Überlebenden lassen sich jedoch (V. 20f.) nicht zur Umkehr rufen (zur Polemik gegen den Götzendienst in V. 20 vgl. Jes 44,5-20; Jer 10,2-5; äthHen 99,7).

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10,1-11 Johannes empfängt ein Büchlein

Das Buch, das der Seher empfangen soll, ist von dem in Kap. 5 genannten Buch zu unterscheiden. Das Verbot, die Stimmen der Donner aufzuschreiben, ist verstanden worden als Verweis auf einen nunmehr aus dem Buch der Johannesoffenbarung ausgeschlossenen weiteren (traditionellen oder durch den Seher selbst formulierten) Text mit einer Reihe von sieben Donnervisionen (Bousset; Müller; Karrer), als Verweis auf die intendierte Unzugänglichkeit dieser Botschaften (Morris; Lohse, mit Hinweis auf 2 Kor 12,4), als polemische Abgrenzung der Johannesoffenbarung gegenüber anderen apokalyptischen Schriften (Roloff), als Zeichen unmittelbarer Naherwartung, indem angesichts der Kürze der Zeit „jedes Aufschreiben dieser göttlichen Weisungen nur Zeitverlust wäre“ (Ritt), als Leserlenkung hin auf das, „was wirklich wichtig ist und deshalb bald geoffenbart wird: auf den Inhalt des geöffneten Buches“ (Giesen). Theologisch kann auch angespielt sein auf das Motiv vom Mk 13,20, dass die Zeit der messianischen Wehen um der Auserwählten verkürzt werde (Caird).

Daß das Buch, das der Seher essen soll, in seinem Munde süß und in seinem Magen bitter sein wird, bedeutet wohl: Das, was er für sich selbst als heilvoll erfährt, ist zugleich Ursache von Verfolgungsleiden, die er durchzustehen hat.

11,1-14 Die beiden Zeugen

V. 1-2 bezeugt vermutlich die Verschonung der endzeitlichen Heilsgemeinde (dafür metaphorisch: der Tempel Gottes und der Altar und die, die in ihm beten) inmitten äußerster Bedrängnis (selbst ein Teil des Tempelbezirkes, der Vorhof der Heiden, wird nicht vermessen und damit der Zerstörung preisgegeben). Die 42 Monate erinnern an die dreieinhalb Jahre der Verwüstung des Jerusalemer Tempels durch den Seleukidenherrscher Antiochus IV. Epiphanes (167-164 v. Chr.).

V. 3-14 reflektieren zumindest im jetzigen Kontext möglicherweise (wenn nicht das Zeugnis und das Schicksal der Märtyrer thematisiert sind, so Caird, Morris, oder das der Kirche überhaupt, so Sweet) generell das machtvolle Auftreten (V. 3-6), das gewaltsame Geschick (V. 7-10) und die göttliche Legitimation (V. 11-13) urchristlicher Propheten: Sie sind die letzten Rufer zur Umkehr, doch ihre Stimme wird von den Menschen nicht gehört. Die Zweizahl der Zeugen ist topisch (vgl. Dtn 19,15) und entlastet zugleich von der unlösbaren Rückfrage nach zwei gemeinsam wirkenden (!), zu Märtyrern gewordenen Zeugen der urchristlichen Geschichte in Jerusalem (V. 8), für die wir aufgrund fehlender Quellen keine Belege haben (Die Martyrien des Zebedaiden Jakobus nach Apg 12,2 und des Herrenbruders nach Josephus, Ant 20,200 liegen zeitlich zu weit auseinander). Die Auferweckung der beiden Zeugen und ihre Himmelfahrt darf ebenfalls nicht auf einen historischen Hintergrund des Geschehens befragt werden, sondern bringt zum Ausdruck, daß ihre Botschaft von Gott her als wahr anerkannt ist. V. 13 muss nicht unbedingt die „Bekehrung“ der Erdenbewohner (im Gegensatz zu 9,20f.) besagen; eine solche Huldigung muss die Gerichtsfolgen für die Widersacher Gottes ja keineswegs aufheben (Müller). Das dritte „Wehe“ (11,14) bezieht sich wohl auf die in Kap. 16 folgenden Unheilsvisionen, die ihrerseits wiederum Kap. 12; 13 voraussetzen.

Aufgabe zur Weiterarbeit: An welche zwei Gestalten und an welche Bibelstellen erinnern die beiden Zeugen?

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11,15-19 Die siebte Posaune

Die endgültige Herrschaftsantritt Gottes wird hier durch die bereits vollendeten Christen vorwegnehmend besungen, zur Stärkung derjenigen, die noch auf Erden sind und der Gefahr des Abfalls vom Glauben bzw. der Bedrohung durch das Martyrium ausgesetzt sind.

Daß die Bundeslade sichtbar wird, erinnert an frühjüdischer Vorstellung, daß die Lade vor der Zerstörung an einem unbekannten Ort verborgen (2 Makk 2,5) und in den Tagen des Messias wieder im Tempel zu finden sei (syrBar 6,5-10).

12 - 14 Das Imperium Romanum und die christliche Gemeinde

12 Die Frau und der Drache

Die Frau symbolisiert wohl das Gottesvolk, das Kind ist Jesus Christus, dessen Entrückung zu Gott seine Erhöhung bedeutet, die zugleich die Entmachtung des Satans impliziert xxxx / den Antritt seiner Weltherrschaft vorbereitet - darum versucht der Drache, des Kindes habhaft zu werden. Vorausgesetzt ist ein verbreiteter Mythos von der Geburt, der Gefährdung und der Rettung eines göttlichen Kindes, das seinerseits Macht über seinen Verfolger erlangt: Griechische Mythologie wußte von dem Drachen Python zu erzählen, der der schwangeren Leto nachstellte, weil er um die Gefahr wußte, die ihm von Apollo, dem erwarteten Sohne Letos, drohen würde. Anders als in diesem Mythos wird in Apk 12 das Geschick der Frau von dem ihres Kindes gelöst: Christi Erhöhung verhindert nicht, sondern impliziert geradezu das Verfolgungsschicksal der Kirche denn (V. 7-12) der Drache wird im Himmel besiegt und auf die Erde geworfen, wo er in seiner Revolte gegen den endgültigen Herrschaftsantritt Gottes auf Erden in akuter Weise der christlichen Gemeinde gefährlich wird. Der Mythos vom Satanssturz (vgl. Jes 14,13; Lk 10,18) wird also nicht im Sinne der jetzt schon sichtbaren Entmachtung Satans rezipiert. Der Drache wird mit der Schlange (Gen 3; äthHen 69,6) und mit dem Teufel und Satan identifiziert und damit als Feind Gottes von Anfang an stilisiert. Daß die Erde der Frau zur Hilfe kommt und den Fluß verschlingt, verweist ähnlich wie schon in V. 6 der von Gott für die Frau bereitete Ort auf den Trost der unverhofften Bewahrung der Kirche. Sie als Ganze bleibt erhalten, während der einzelne Christ mit Verfolgung und Tod um seines Glaubens willen rechnen muß (vgl. 13.9f. u.ö.).

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13 Der Antichrist und sein Prophet

Der Zusammenhang von 12,18 („und er, der Drache, trat an den Strand des Meeres“, so nach den besseren Handschriften zu lesen) und 13,1 ist leichter zu verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Rom von dem an der südlichen kleinasiatischen Westküste gelegenen Patmos aus gesehen (unter Vernachlässigung geographischer Einzelheiten) tatsächlich „jenseits des Meeres“ liegt. Die das folgende Kapitel bestimmende Trias „Drache - Tier - Prophet“ wird in Apk 19,19-21; 20,7-10 wieder erwähnt.

Apk 13,1-10 stellt den widergöttlichen Charakter des Imperium Romanum mittels eines Parodieverfahrens (Roloff, 135) heraus: Wie das Lamm durch den auf dem Thron sitzenden Macht erhält (5,7.12), so das Tier durch den Drachen (13,2). Wie das Lamm Herrscher ist über Menschen aus allen Stämmen, Sprachen und Nationen (5,9), so auch das Tier (13,7). Wie die himmlischen Wesen dem Lamm ihre Huldigung darbringen (5,12), so auch die Erdbewohner dem Tier (13,4). Wie das Lamm erwürgt ist (5,6) so trägt auch das Tier eine Todeswunde, die geheilt ist (13,3). Apk 13,9f. sagt denen, die sich der Anbetung des Tieres verweigern, Gefangenschaft und Tod voraus. Apk 13,11-18 spielt wohl auf den gerade in Kleinasien zu Domitians Zeiten erstarkten Kaiserkult an, speziell V. 15 auf den volkstümlichen Glauben, Kultbilder könnten sich bewegen und Orakel erteilen. Das in V. 16f. nicht näher zu identifizierbare Zeichen soll wohl ein Gegenbild zur Taufe darstellen. Die Zahl 666 ist wohl im Sinne eines Zahlenrätsels, einer Gematrie, als „Qäsar (= Kaiser, hebräisch transkribiert) Neron“ zu deuten, ist aber auch der Zahlenwert des hebräisch transkribierten Wortes „therion“ (für das Tier aus dem Abgrund). Einige Handschriften, die statt der 666 die Zahl 616 lesen, setzen die Gematrie „Quäsar Nero“ (in lateinischer Aussprache ohne n) voraus.

14,1-5 Das Lamm und die Seinen

Umstritten ist, ob der Text die gegenwärtige Bewahrung der Gemeinde inmitten der Verfolgung (Roloff) oder ihre endzeitliche Errettung (Müller) thematisiert; der Schauplatz der Vision am Berg Zion könnte die letztere, der Bezug auf Apk 13 als Gegenbild die erstere Deutung favorisieren. Umstritten ist ferner, ob die in V. 4 angesprochene Jungfräulichkeit übertragen auf die Enthaltung von Götzendienst (vgl. Hos 2,14-21; Jer 2,2-6) zu beziehen ist (Morris, Ritt, mit Verweis auch auf Apk 21,9; Sweet) oder wörtlich auf die geschlechtliche Askese (Lohmeyer), so daß damit en weiteres Kriterium christlicher Existenz genannt wäre. Der letztere Streit läßt sich vielleicht entschärfen (Müller): Der Verfasser zeichnet die ideale Gemeinde in dem Bild der von ihm selbst und von anderen urchristlichen Wanderpropheten verwirklichten Ideale (Mt 19,10-12; Lk 14,26f.), ohne diese Ideale der ganzen christlichen Gemeinde als verbindlich auferlegen zu können (Roloff) oder zu wollen (Müller, mit Verweis auf Did 11,11 als Parallele).

14,6-20 Der Ausblick auf das Endgericht

Die Verkündigung des „ewigen Evangeliums“ ist nicht die Heidenmission vor dem Anbruch der Endzeit (Mk 13,10), sondern die Botschaft, daß Gott nunmehr zum Gericht kommt. Dieses Gericht gilt der „großen Hure Babylon“ (= Rom, vgl. syrBar 67,7; 1 Pt 5,13), und es wird über diejenigen vollzogen werden (V. 9-11), die das Bild anbeten (sich am Kaiserkult beteiligen) und sich durch die Einprägung des Zeichens des Tieres als dessen Eigentum bekennen. Dieses Gericht wird (V. 12) auch die Christen treffen, wenn sie nicht „Geduld und Glauben der Heiligen bewähren“. V. 13 zielt unmittelbar auf die Gegenwart der Gemeinde („Schreibe!“); „in dem Herrn sterben“ heißt in Gehorsam und Bekenntnis zu seinem Namen, „von nun an“ verweist auf die in Apk 13,9f. genannte Situation des Leidens; zum Motiv der „Ruhe“ vgl. Hebr 3,7-4,13; ihre Werke „folgen ihnen nach“, d.h. werden sie vor Gott als bewährte Christen ausweisen (vgl. 4 Esr 7,35).

Für die folgende, Apk 19,11-20,15 summierend vorgreifende Gerichtsschilderung vgl. das Motiv des „Sitzens“ Gottes zum Gericht und das Nebeneinander von Getreide- und Weinernte in Joel 4,12f. Der Seher schaut den, der einem Menschensohn gleicht (vgl. Dan 7,13), Jesus Christus. Der goldene Kranz zeichnet ihn als König (auf Münzprägungen wurden die römischen Kaiser ebenfalls mit einem Kranz dargestellt), die Sichel als Richter. Getreide- und Weinernte sind Vernichtungsgericht an den Ungläubigen.

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15 - 16 Die letzten sieben Plagen

15,1-8 Vorbereitung im Himmel; das Lied der Überwinder

Der Abschnitt greift zeitlich vor 14,14-20 zurück. Mit den nunmehr anzukündigenden Plagen kommt, so V. 1, Gottes Zorn Gottes Zorn zu seiner Vollendung. Ähnlich wie Apk 8,2-6 geht der Schilderung der Plagen eine Szene im Himmel voraus, die den Ertrag des im folgenden Berichteten summiert. Die Wendung „Lied des Mose und Lied des Lammes“ (V. 2) verweist auf den typologischen Zusammenhang zwischen der Errettung Israels am Schilfmeer vor der Macht der Ägypter mit nachfolgendem Lobgesang Ex 15 und der Erlösung der Christen als Sieg über das Tier.

In V. 5-8 verdient vor allem der Schluß Beachtung, der andeuten soll, daß Gott selbst mit seiner Heiligkeit hinter dem Gerichtsgeschehen steht.

16,1-21 Die Schalen des Zorns

Das Bild des Ausgießens der Schalen erinnert an Ps 69,25; Jer 10,25 u.a. Die Schalenvisionen beziehen ähnlich wie die Posaunenvisionen ihr Bildmaterial aus den Erzählungen über die ägyptischen Plagen, die hier geschilderten Plagen gehen aber in zweierlei Weise über die von Apk 8-9 hinaus: Nicht nur ein Drittel der Menschheit ist jeweils betroffen, und die Plagen gelten nunmehr konkret den Anhängern des Tieres, wie auch die Vision über die Vernichtung Babylons aus der siebten Schalenvision herauswächst. Angesichts der Blutplage wird der Grundsatz entfaltet, dass die Strafe dem Vergehen entspricht. V. 7 sieht die Bitte der Märtyrer Apk 6,10 erfüllt. Die Menschen lassen sich (wie schon 9,20f.) durch die Plagen nicht dazu bewegen, Buße zu tun (V. 9.11.21), anders als in 15,4a erwartet.

Die sechste Plage lässt den Euphrat austrocknen, damit wird die Bahn frei für die Könige des Ostens, gegen Rom loszuziehen (vgl. 17,16f.). Das Bild wird aber gebrochen, denn im folgenden geht es um das biblische Motiv, daß sich die Feinde Israels gegen das Gottesvolk am Ende der Tage erheben (vgl. Ez 38f.; Sach 14; äthHen 56,5-8). Wer die Könige der Erde zum Krieg gegen Gott führt, sind die Dämonen. Die Frösche erinnern an die Froschplage (Ex 8,2). Die warnende Seligpreisung V. 15 setzt voraus, daß Nacktheit vom Kult ausschließt (vgl. Jub 3,27). Für Harmageddon werden an Deutungen vorgeschlagen: eine Zusammenführung von Traditionen über Megiddo (Schauplatz einer Niederlage von Feinden Israels nach Ri 4; 5) und dem Gottesberg (hebr. har = Berg), an dessen Eroberung die Feinde scheitern (Jes 14,13), daneben die Deutung auf die rückwärts geschriebenen Ortsnamen Gomorra (vgl. Gen 19) und Nod (nach Gen 4,21 der Aufenthaltsort Kains). Das beginnende Gericht an der „Hure Babylon“ in der siebten Schalenvision veranlaßt die Einschaltung von Apk 17,1-19,10.

17 Die Hure Babylon

Nur in diesem Kapitel wird der übliche apokalyptische Zweitakt von Vision (V. 1-6) und nachfolgender Deutung (V. 7-18) durchgeführt, doch ist die Vision klarer als die ihr angeschlossenen Deutungen. Ähnlich wie das Tier aus dem Abgrund das Gegenbild zum Lamm ist, so ist die große Hure Babylon das Gegenteil der als Braut des Lammes gezeichneten Kirche (vgl. auch Apk 17,1 mit Apk 21,9). Die Bezeichnung einer gottlosen Stadt als einer „Hure“ ist alttestamentliche Tradition (Jes 1,21; Ez 16,15; 23,1). So ist die Aussage, fremde Könige hätten „mit ihr Hurerei getrieben“ nicht zeitgeschichtlich auf die Bündnispolitik anderer Staaten zu beziehen, sondern auf die gemeinsame Teilhabe am Heidentum. Die Selbstverabsolutierung des Imperium Romanum führt dazu, dass die Christen um ihres Glaubens willen das Martyrium erleiden (V. 6).

Innerhalb der Deutung verweisen die „sieben Berge“ von V. 9 auf die sieben Hügel, auf denen Rom gebaut ist. Schwierig ist die Deutung von V. 9c-11. Der achte Kaiser, der erwartete Schreckensherrscher Nero redivivus (mindestens zwei Personen traten tatsächlich als Pseudo-Nero im Sinne dieser Phobie auf, vgl. dazu Tacitus, hist. 2,8; Sueton, Nero 57), ist „mit einem der Kaiser“ identisch. Die Identität der fünf gewesenen Kaiser und des sechsten „derzeit“ regierenden sowie des siebten, nur kurz regierenden Kaisers ist umstritten, denn die römische Kaiserliste bis Domitian bietet insgesamt elf, unter Ausschluss der je nur kurz regierenden Galba, Otho, Vitellius, acht Namen. Ein Konsens der Auslegung hat sich bisher nicht ergeben; neben den soeben angesprochenen zeitgeschichtlichen Deutungsversuchen stehen andere rein symbolische Interpretationen, erwachsen aus der Siebenzahl (Caird, Morris u.a.). - V. 14 weist auf Apk 19,16 voraus; Christus als dem Lamm wird eine Titulatur zugesprochen, die ursprünglich dem babylonischen Großkönig gegolten hatte und in der Bibel auf Gott selbst angewandt wurde (Dtn 10,17; Dan 2,47; 1 Tim 6,15). Dass die zehn Hörner gemäß V. 16f. die Hure hassen, ist wohl auf die Erwartung zu beziehen, dass der Nero redivivus zur gewaltsamen Eroberung Roms an der Spitze parthischer Reiterheere zurückkehren werde - und dass sie in ihrem Kampf gegen Rom ungewollt und unwissend den Plan Gottes zu erfüllen helfen.

18 Der Sturz der Hure Babylon

Für dieses Kapitel sind Ez 26; 27 und Jer 50; 51 die literarischen Vorbilder, doch sind auch Traditionen des Widerstandes gegen Rom speziell aus Asien zu bedenken (vgl. Sib 3,350-355 sowie das sog. Orakel des Hystaspes: „Der römische Name, durch den die Welt jetzt regiert wird, ... wird von der Erde entfernt werden, und die Herrschaft wird zu Asien zurückkehren, und noch einmal wird der Osten herrschen, und der Westen wird dienen“ [mitgeteilt bei Müller, 311f.]). Zunächst wird der Vollzug des Gerichtes angekündigt, in dem in übertragenem Sinne zu verstehenden V. 4f. werden die Christen von der Anpassung an die Lebensweise der Gottlosen gewarnt, in V. 6-8 werden himmlische Wesen (Caird, Müller) oder geschichtliche Mächte (Roloff) aufgefordert, Vergeltung zu üben. Die folgende Klage V. 9-19 spricht eher die wirtschaftlichen denn die politischen Implikationen des Imperium Romanum an. Neben den Anklängen an Ez 26; 27 mag auch der Gegensatz zwischen der auf materiellen Reichtum gegründeten Stadtkultur, die der Seher wohl in den kleinasiatischen Handels- und Seestädten kennengelernt hat, und der asketischen Lebensweise des Wanderpropheten bestimmend sein. V. 20 ist Kommentarwort des Sehers, das in 19,1-8 aufgenommen ist. V. 21 schildert die symbolische Vernichtung Babylons, V. 22-24 deren Folgen.

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19,1-10 Der Jubel im Himmel

Der himmlische Jubel Apk 19 ist „die Antwort auf die Proklamation des Gerichts in Kap. 18“ (Müller, 313): Der Sturz der Hure Babylon ist der Herrschaftsantritt Gottes, der damit das Blut seiner Knechte von ihrer Hand gefordert hat (vgl. 6,9-11). Erst hier ertönt der Ruf „Halleluja“, wie auch in jüdischer Tradition das Halleluja mit der Endzeit verbunden wurde (Belege bei Müller, 315). In den Jubel der Himmelsbewohner sollen auch die Christen auf Erden einstimmen (V. 5).

Das Bild der Gemeinde als „Frau“, d.h. Braut Christi (2 Kor 11,2; Eph 5,31f.; Mk 2,19 par.) hat zwei biblische Voraussetzungen, den in Hos 2; Ez 16,7 begegnenden Vergleich des Verhältnisses Gottes zu seinem Volk mit der Ehe und den Vergleich der messianischen Heilszeit mit der Hochzeit (Jes 61,10; 62,5). Daraus ergibt sich auch die konkrete Funktion des Bildes an dieser Stelle: Die eschatologische Heilszeit, die Zeit immerwährender Gemeinschaft der Gemeinde mit Christus ist angebrochen. - Der Verweis auf die reine weiße Leinwand intendiert nach Meinung vieler Ausleger auch einen Gegensatz zu dem aufdringlichen Pomp der Hure (17,4f.; 18,16).

Warum wird dem Seher in V. 9 befohlen, die Seligpreisung der zur Teilnahme am Hochzeitsmahl Geladenen aufzuschreiben? Die Ebene der unmittelbaren Kommunikation mit der Gemeinde soll hergestellt werden (vgl. den Briefrahmen der Johannesoffenbarung 1,4-8; 22,6-21), der Seher soll sie im Falle ihrer Bewährung der Teilnahme am eschatologischen Freudenmahl vergewissern.

Umstritten ist, ob 19,10 gegen die Infragestellung (Kraft) oder gegen die Überbewertung prophetischer Autorität (Caird, Müller, Ritt), u.U. schon gegen beginnende montanistische Tendenzen (Sweet) oder wie Kol 2,18 gegen die Engelverehrung polemisiert (Bousset, Morris, Roloff) oder die Christen vom Götzendienst fernhalten will (Giesen). - Das Wort Christi wird der Gemeinde durch den Geist der Wahrheit zugesprochen, der durch den Mund der Propheten redet.

19,11-22,5 Die Vollendung

Die antigöttliche Trias der Kap. 12-14 ist in Kap. 19 und 20 wieder präsent. Die Linienführung des Abschnitts ist im Großen gesehen planvoll: Zunächst wird in 19,19-21 das Gericht an dem Tier und an seinem Propheten geschildert, während 20,1-10 das Schicksal des Drachens einerseits, der Märtyrer und Bekenner andererseits im Auge hat und 20,11-15 das endgültige Geschick der restlichen Menschheit, 21,1-22,5 die neue Schöpfung und das neue Jerusalem thematisieren.

19,11-21 die Parusie Christi

Die Parusie Christi ist als Vernichtungsgericht über die Feinde Gottes (V. 14f.; 17-21) geschildert (vgl. zu dieser messianischen Erwartung PsSal 17,21-25; 4 Esr 13,1-13). „Zuverlässig und wahrhaftig“ ist Christus für die Gläubigen, indem das Wort seiner Prophetie nunmehr endgültig in Erfüllung geht. Der Vergleich der Augen mit Feuerflammen sichert den Rückbezug zur Berufungsvision, der Verweis auf die Diademe auf seinem Haupt stellt Christus als Gegenbild zu dem Drachen dar. Der Mantel ist, wie die Anspielung an Jes 63,1-3 zeigt, vom Blut der Feinde getränkt; so ist nicht von Jesu Kreuzestod, sondern vom Kommen zum Gericht die Rede. Der Name „Wort Gottes“ steht hier für die Selbstkundgabe Gottes in seinem Reden und Handeln (von Schöpfungsmittlerschaft und Präexistenz ist im Unterschied zu Joh 1,1 nicht die Rede), der Titel „König der Könige und Herr der Herren“ (V. 16) auf die von Gott gegebene Machtfülle. Daß der zuletzt genannte Titel auch an den Schenkeln eingeschrieben ist, könnte auf den Brauch verweisen, auf den Schenkel von Statuen die Namen der entsprechenden Persönlichkeiten einzugravieren. Die Gewänder des himmlischen Reiterheeres sind eigentlich keine Kampfesgewänder, sondern Gewänder der Verklärten.

Daß die Vögel schon vorweg zum Leichenmahl an den getöteten Feinden Gottes geladen werden, soll die Gewißheit des Sieges verdeutlichen, der faktisch kampflos erfolgt, noch ehe die Feinde Gottes nach Abschluss ihrer Kriegsvorbereitungen angreifen können. Das Tier aus dem Abgrund und sein Prophet der ewigen Pein überantwortet, die Anhänger werden von Vögeln aufgefressen, um dann (20,13.15) im Jüngsten Gericht endgültig abgeurteilt zu werden. Von dem Schicksal des Drachens, der dritten Gestalt der genannten Trias, ist im folgenden die Rede.

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20,1-6 Das tausendjährige Reich

Der Drache, nach Apk 12,9 auf Erden weilend, wird für 1000 Jahre in die Unterwelt verbannt. Diejenigen, die Jesus die Treue gehalten haben, werden nunmehr für 1000 Jahre (gemeint ist nicht ein umgrenzter Zeitraum, sondern unbestimmt eine sehr lange Zeit) zu Herrschern inthronisiert, so daß Gott sein Recht auf diese Erde durchsetzt, bevor die neue Erde und der neue Himmel entstehen. Den Inthronisierten wird verheißen, daß für sie der zweite Tod, die ewige Pein im Feuersee, keine Bedeutung hat.

Exkurs: Chiliasmus

20,7-10 Der letzte Kampf

Der Abschnitt schildert den letzten Versuch des wieder befreiten Satans, mythische Heere (zu Gog und Magog vgl. Ez 38-39) zum Kampf gegen Gott und gegen die am mythischen Mittelpunkt der Erde gelegene „geliebte Stadt“ Jerusalem zu versammeln. Zur Wendung „Lager der Heiligen“ vgl. die Kriegsrolle von Qumran, die den endzeitlichen Krieg der Frommen beschreibt (1QM 3,5 u.ö.). Die Stadt wird auf wunderbare Weise gerettet; die Frommen sind an dem Kampf eigentlich gar nicht beteiligt. Der Teufel wird in den Feuersee geworfen.

20,11-15 Das Weltgericht

Nach dem eschatologischen Schicksal der antigöttlichen Trias einerseits, der in der ersten Auferstehung auferweckten Christen andererseits wird nunmehr das endgültige Schicksal der restlichen Menschheit entschieden.

Daß Erde und Himmel vor der Erscheinung Gottes fliehen und daß für sie keine Stätte mehr besteht, ist metaphorischer Ausdruck der Majestät Gottes, bei dessen Richten auch die personifizierten Mächte der Unterwelt ihre Toten herausgeben müssen. Das eine Buch verzeichnet die Taten und Verfehlungen der Menschen (vgl. 4 Esr 6,20; Dan 7,10; syrBar 24,1), das andere die Namen derer, die Gott zum Heil erwählt hat (vgl. 3,5; 13,8; Phil 4,3; Lk 10,20; Hebr. 12,23). Daß auch die Christen nicht dem Gericht nach den Werken entnommen sind, weiß der Leser aus Apk 2,23; 22,12. In Apk 20,11-15 ist der Akzent auf die Verurteilung der Gottlosen gelegt; die Öffnung des Lebensbuches könnte speziell diejenigen Christen im Auge haben, die nicht aufgrund ihres Martyriums der ersten Auferstehung teilhaftig geworden sind.

21,1-8 Der neue Himmel und die neue Erde

Die Vision ist an Jes 65,17f. orientiert, auch hinsichtlich der Parallelordnung des neuen Himmels und des neuen Jerusalem. In seiner Eigenschaft als bedrohliche Chaosmacht (vgl. schon Gen 1,2; vgl. ferner Apk 13) wird das Meer nicht mehr sein. Das eschatologische Jerusalem als Ersatz für das irdische, befleckte Jerusalem, ist im Himmel schon geschaffen (vgl. äthHen 90,28; Gal 4,26). Die Bundesformel wird variiert: Der Plural „seine Völker“ verweist auf die Herkunft der Christen „aus allen Völkern und Nationen“ (5,9).

V. 5-8 enthalten die zweite und letzte Gottesrede im Gesamtwerk, die die Gesamtperspektive göttlichen Wollens und Wirkens und die aktuelle Anrede an die Gemeinde (V. 5b.7f.) miteinander verbindet. V. 5 bezeichnet den Zielpunkt göttlichen Handelns, V. 6, in griechischer Sprache mit einem einzigen Wort (!), dessen Verwirklichung in Gottes Wesen als Schöpfer, Regierer und Vollender (vgl. die Selbstvorstellung Apk 1,8) beschlossen liegt (zu einzelnen Wendungen wie „Anfang und Ende“ gibt es reichhaltiges religionsgeschichtliches Vergleichsmaterial). Dem nach der Gemeinschaft mit Gott Dürstenden (vgl. Jes 55,1) wird Heil verheißen (V. 6b), dem Überwinder (vgl. die Überwindersprüche in den Sendschreiben) als Erbteil der Empfang der Gottessohnschaft, d.h. des besonderen Verhältnisses zu Gott, das dem König (2 Sam 7,14), dem leidenden Gerechten (SapSal 2,18), dem Christen (2 Kor 6,18) zuteil wird. Der Lasterkatalog in V. 8 soll die Christen warnen, angesichts dieser großartigen Zukunft nicht durch Fehlverhalten das eigene Heil zu verspielen. Der Katalog entspricht den Aussageabsichten der Johannesoffenbarung: Nicht wie üblich die Sünden des Götzendienstes und des Ehebruchs, sondern die der Feigheit und Treulosigkeit in der Situation des Bekennens, stehen voran. Seine Härte bezieht der Katalog daraus, daß die als feig und treulos Bezeichneten die selbe Strafe zu erwarten haben wie die Heiden selbst.

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21,9-22,5 Das himmlische Jerusalem

In dem Abschnitt fließen Vorstellungen über die himmlische Stadt, den eschatologischen Tempel (vgl. dazu Ez 40 - 48; 11Q19 Kol II-XIII-8; XXX-XLII) und das Paradies (Gen 2) zusammen. Kennzeichnend ist aber, dass die auf den Tempel bezogenen Aussagen von Ez 40 - 48 hier auf die Gottesstadt bezogen werden; die Gottesstadt freilich, als „Braut des Lammes“ bezeichnet (21,9), ist Metapher für die vollendete Heilsgemeinde. Insgesamt will diese Vision die überwältigende Herrlichkeit bezeugen und dadurch die Gemeinde zum Ausharren inmitten irdischer Drangsal ermahnen.

21,9-14 Die Stadt und ihre Tore

Schon durch die Rückerinnerung an den Engel mit den Schalen des Zornes (Apk 17,1) soll die Stadt als Gegenbild zu Babylon gezeichnet werden. Als ihr wichtigstes Merkmal wird vorweg die „Herrlichkeit“ Gottes benannt (dazu vgl. V. 23). Die Engel an den Toren (V. 12) sind Wächterengel Jes 62,6. Der Verweis auf die zwölf Stämme Israels meint, daß nunmehr das Gottesvolk in seiner Fülle gesammelt ist. Der Ausdruck „zwölf Apostel des Lammes“ verweist wohl auf die Vorstellung, die Kirche sei auf dem Grunde der Apostel und Propheten erbaut (Eph 2,20), die Zahl Zwölf ist wiederum Symbol der Vollständigkeit und nicht auf die Zwölfzahl der die irdischen Jünger Jesu zu beziehen.

21,15-21 Die Abmessungen der Stadt und ihre Fundamente

Daß Länge, Breite und Höhe gleich sein sollen, ist nicht architektonischen Möglichkeiten, sondern geometrischen Idealen nachempfunden, wie nach antiker Überlieferung schon Babylon und Ninive quadratisch erbaut waren. Die ungeheueren Ausmaße der Stadt (12000 Stadien = ca. 2400 km) erinnert an antike Vorstellungen vom Himmelsgewölbe, die kostbaren Baumaterialien (vgl. Jes 54,11f.; Tob 13,20f.) sind Symbol ihrer überwältigenden Schönheit. In den Edelsteinen sind auch Bezüge zu antiken astrologischen Vorstellungen zu vermuten, wie solche Bezüge auch in frühjüdischer Tradition zwischen den zwölf Edelsteinen am Brustschild des Hohenpriesters und den himmlischen Tierkreiszeichen vermutet wurden (Astrologie war damals von Astronomie nicht so streng geschieden wie heute und darum weniger verpönt).

21,22-27 Gott selbst als der Tempel

Daß es keinen Tempel in der Stadt gibt, widerspricht auf den ersten Blick jüdischen Erwartungen, die von einem eschatologischen Tempelneubau sprechen, und doch ist die jüdische Erwartung nicht einfach beiseite geschoben: Ein Tempel ist nicht mehr erforderlich, weil es keine Störung der Gottesgemeinschaft gibt, für die am Tempel eine Sühnemaßnahme erforderlich wäre. Ebensowenig ist der Tempel als Symbol der Gegenwart des transzendent gedachten Gottes notwendig, denn Gott ist unmittelbar anwesend. Die Herrlichkeit Gottes ist ursprünglich und so auch hier wieder sein ewiger Lichtglanz, der alles überstrahlt, die Unterscheidung von Tag und Nacht hinfällig und selbst Sonne und Mond überflüssig macht. Deshalb stehen auch die Tore dieser Stadt durchgehend offen, und so ist den zur Anbetung kommenden Heidenvölkern ungehinderter Zugang ermöglicht.

V. 27 ist wiederum paränetisch bestimmt, wie schon Apk 21,7; Die Wendung „Gräuel und Lüge“ hat wieder die Verweigerung bzw. das Versagen in der Bekenntnissituation vor Augen.

22,1-5 Die Stadt als Paradies

Gemäß dem Grundsatz der Entsprechung von Urzeit und Endzeit wird nunmehr die Stadt u.a. in Aufnahme der Thematik von Ez 47 als Gegenstück zum Paradies Gen 2 geschildert. Dessen Einschränkungen hinsichtlich der Lebensbäume sind nunmehr aufgehoben, insofern überbietet die Endzeit die Urzeit. Nichts Verfluchtes wird es mehr geben. Daß die Knechte Gottes ihm dienen werden, entspricht dem Ideal von Dtn 10,12. Ihnen wird uneingeschränkte Gemeinschaft zuteil, was in diesem Äon selbst Mose verwehrt war (Ex 33,20-23; vgl. aber Ex 24,8-11 MT). V. 4b erinnert zurück an Apk 14,1 und hält so nochmals den antithetischen Bezug der Gottesstadt zum Imperium Romanum fest.

22,6-21 Vergewisserung der Leser

Der Buchschluss ist nicht beliebig gesetzt, sondern weist zurück auf das Vorwort und den brieflichen Eingang; er fasst die Botschaft der Johannesoffenbarung nochmals zusammen und schärft die Wahrheit ihrer Verheißung wie ihrer Mahnung und Drohung ein. Das Ineinander von Autorisierung Jesu (V. 13.16b), Autorisierung des Sehers (V. 6.16a.18f.), Verheißung (V. 7a.20a), Erwartungssehnsucht (10.17.20b) und Paränese (7b.11.12.14f.) soll die Leser in all ihrem Hoffen und Handeln an die Botschaft der Johannesoffenbarung binden. Sie erhebt den Anspruch, gültiges, jetzt öffentlich zu machendes (!; V. 10; anders Dan 8,26) Wort Gottes für die nahe Endzeit zu sein (vgl. V. 18f. mit Dtn 4,2; 13,1). Die Worte des richtenden Christus, dem in dieser Eigenschaft auch Gottesprädikationen zugeschrieben werden, mahnen die Gemeinde zum Gehorsam und warnen vor dem drohenden Ausschluß vom Heil (V. 14f.). V. 17.20 haben die Situation des Gottesdienstes vor Augen, in dem man um das Kommen Christi betet (vgl. 1 Kor 16,22) und in dem wohl auch die Johannesoffenbarung verlesen wird bzw. verlesen werden soll.