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Lektion 12: Die Offenbarung des Johannes Vorbemerkungen Situation Die äußere Gefährdung durch die zunehmenden Christenverfolgungen Nach altrömischer, aber auch in der Zeit des Prinzipates teilweise lebendiger Vorstellung fiel den anerkannten Göttern die Sorge für das Wohl des einzelnen wie für das des Staates zu. „Theologisch“ war es einem Nichtjuden und Nichtchristen möglich, neben die Göttern für die private Wohlfahrt auch die Götter für die Wohlfahrt seines jeweiligen Gemeinwesens zu verehren, d.h. die Götter der Stadt, in der er gerade lebte, und die für die Wohlfahrt des Imperium Romanum insgesamt verantwortlich gedachten Götter. Für Juden und Christen war dies angesichts ihres exklusiven Monotheismus nicht möglich. Den Juden als einer nicht nur religiös, sondern auch ethnisch definierten bekannten Größe Volk wurde die Distanzierung von den öffentlichen Kulthandlungen faktisch zugestanden. Josephus berichtet von ihrer Selbstverpflichtung, als Ersatz für das ihnen unmögliche Gebet zu den Genien des Kaisers zweimal am Tag für das Wohl des Kaiserhauses zu beten und zu opfern. Sowohl die Differenzierung zwischen der Furcht Gottes und der Ehrung des Königs in 1 Pt 2,17 als auch das Gebet für den Princeps in spät- und nachneutestamentlichen Schriften (1 Tim 2,2; 1 Clem 61,1f.) fügen sich in diese früh-jüdische Haltung ein, ebenso die Mahnung des Paulus in Röm 13,1-7. Die davon abweichende Position vor allem in Apk 13; 17; 18 hat man früher gerne mit einer reichsweiten ersten Christenverfolgung unter Domitian (81-96 n. Chr.) begründet, doch ist eine von Domitian selbst angeordnete Verfolgung nicht nachweisbar, weder für das gesamte Imperium noch für Kleinasien im speziellen. Eher ist die ablehnende Haltung der Johannesoffenbarung mit dem seit 29 v. Chr. durch den Provinziallandtag Kleinasiens betriebenen Kaiserkult zu begründen, als dessen archäologisch verifizierbares Zeugnis für die Zeit Domitians ein in Ephesus freigelegter Domitiantempel mitsamt einer Kolossalstatue gelten kann, deren Gesamthöhe 7 m beträgt (der Kopf ist allein schon 1,18 m hoch). Zur richtigen Einschätzung ist zu bedenken: 1. Das landläufige Domitianbild zeichnet ihn in der Nachfolge frühchristlicher Autoren (Johannesoffenbarung, Tertullian) und der senatorischen Opposition eines Tacitus und Sueton als grausamen Wüterich; man konnte über ihn aber auch anders urteilen. Sueton konzediert ihm immerhin eine gerechte Verwaltung der Provinzen. 2. Domitian war nicht der erste, dem in Kleinasien göttliche Verehrung zuteil wurde, und er hat den Kaiserkult nicht von sich aus gefordert. 3. Zum Todesurteil gegen die von den Juden schon unterschiedenen Christen musste nicht erst die Verweigerung gegenüber dem Kaiserkult geführt haben (so aber Plinius, der nach ep. 10,96 die Christen vor den Stauten der Götter und des Kaisers hatte opfern lassen; vgl. auch Apk 13,15); schon die Verweigerung gegenüber der Verehrung der lokalen, regionalen und reichsweiten, für die Wohlfahrt des Gemeinwesens „zuständigen“ Gottheiten konnte Grund genug sein, wie die Antwort Trajans an den Statthalter Plinius zeigt (bei Plinius, ep. 10,97): Werden Christen als solche überführt, sollen sie den Göttern opfern (von einem Opfer vor der Kaiserstatue ist nichts gesagt) oder aufgrund des bloßen Bekenntnisses zum Christentum zum Tode verurteilt werden. Diese Rechtspraxis hat sich auch unter den in unserem durchschnittlichen Ge-schichtsbild ebenfalls als gut beurteilten Kaisern wie Hadrian und Antoninus Pius nicht verändert; den christlichen Beteuerungen politischer Loyalität schenkte man keineswegs generell Glauben. Der Verfasser weiß von einzelnen Verfolgungen (vgl. Apk 2,13; 6,9-11; 17,6; 20,4), sieht das Grundsätzliche des Konfliktes und erwartet seine Verschärfung (vgl. die zentralen Gliederungssignale 1,19; 4,1) - womit er sachlich gesehen Recht haben sollte. Die inneren Gefährdungen durch Irrlehren und Ermüdungserscheinungen Auf die Gefährdung durch Irrlehren kommen Apk 2,6.14.20-24 zu sprechen, deren historische Auswertung freilich schwierig ist. Die Vergleiche mit der Lehre Bileams und mit Isebel können ebenso Polemik sein wie die Behauptung des Sehers, die Gegner beanspruchten die Erkenntnis der „Tiefen des Satans“: Die genannten Vergleiche setzen bei der Lehre der Gegner an, man dürfe unbedenklich Götzenopferfleisch essen, und sind deshalb wohl kaum deren Selbstbezeichnung; ihr Selbstanspruch kann auch auf die Erkenntnis der „Tiefen Gottes“ (vgl. 1 Kor 2,10) gelautet haben. Umstritten ist ferner, ob sich die Nikolaiten überhaupt (und wenn ja, zu Recht oder zu Unrecht?) auf den in Apg 6,5 erwähnten Nikolaos berufen haben. Unsicher bleibt des weiteren, ob der Ausdruck „Hurerei“ im wörtlichen Sinne eine nicht den strengeren christlichen Anforderungen entsprechende Sexualmoral meint (dagegen spricht nach Caird, dass die in Apk 2,20 genannte Isebel nie der Hurerei im wörtlichen Sinne beschuldigt wird) oder im übertragenen Sinne den Abfall des Volkes von Gott (vgl. Hos 2; Jer 3,1-4,4; Ez 23). Erkennbar ist, dass die Gegner ähnlich wie die „Starken“ nach 1 Kor 8 den Genuß des Götzenopferfleisches für unbedenklich hielten. Daß eine solche Haltung Christen attraktiv erscheinen konnte, leuchtet unmittelbar ein: sie ermöglichte, weiterhin private und gesellschaftliche Kontakte zu Nichtchristen zu pflegen, denn gesellschaftliche Anlässe wie etwa Festmähler der Handwerksvereinigungen waren ohne Opferfleisch (und ohne Kulthandlungen zu Beginn der Feier) kaum üblich. Der Seher fordert zur kompromisslosen Abgrenzung auf; zu Apk 2,2 kann man durchaus eine Polemik auch gegen den Apostel Paulus vermuten. Das „Nachlassen der ersten Liebe“ bei einzelnen Gemeinden (2,4; 3,2) kann auf Ermüdungserscheinungen schließen lassen, insofern sind typische Probleme der zweiten und dritten christlichen Generation angesprochen.
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